: Die kritischen Stimmen nehmen zu
■ Warum Kofi Annan jetzt grünes Licht des UNO-Sicherheitsrates für eine Vermittlungsreise erhalten hat, die am Dienstag vergangener Woche noch am Veto der USA scheiterte
In seiner Substanz ist der Vorschlag Kofi Annans für das Angebot, das er der irakischen Führung vorlegen will, unverändert geblieben. Auf der Erfüllung aller UNO- Resolutionen zum Irak wird ohne Einschränkung bestanden: das heißt auf der vollständigen, international kontrollierten Vernichtung aller Massenvernichtungsmittel, ballistischen Raketen sowie dazugehörenden Produktionsanlagen und Grundsubstanzen.
Auch die Inspekteure der Unscom sollen bis zur Erfüllung der UNO-Resolutionen „jederzeit unbeschränkten Zugang“ zu allen Anlagen erhalten, die sie untersuchen möchten. Lediglich bei Inspektionen der sogenannten Präsidentenanlagen sollen Diplomaten der fünf ständigen Ratsmitglieder die Unscom-Inspekteure „begleiten“. Differenz bestand unter den ständigen fünf Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates (P5) noch über einige Details, etwa darüber, ob der stellvertretende Unscom- Chef, ein US-Amerikaner, demnächst ausgetauscht werden soll.
Doch verändert haben sich seit vergangener Woche einige Parameter, die Einfluß auf die Haltung der Clinton-Administration haben. Zum einen ist Großbritannien wieder etwas auf Distanz zu den USA gegangen, nachdem anläßlich des Besuchs von Premierminister Tony Blair bei US-Präsident Bill Clinton Anfang Februar zunächst der Eindruck nahtloser Übereinstimmung erweckt worden war. Jetzt erklären britische Diplomaten wieder, die völkerrechtliche Basis für militärische Maßnahmen gegen Irak existiere noch nicht und es bedürfe hierzu einer neuen Resolution des Sicherheitsrates. London ist – nicht zuletzt mit Blick auf künftige Konflikte – sehr daran interessiert, in diesem Punkt Klarheit und einen möglichst breiten Konsens innerhalb der UNO herbeizuführen. Es gibt Hinweise, wonach die bisherigen erklärten Gegner militärischer Maßnahmen, China, Rußland und Frankreich, den USA im Rahmen der P5-Beratungen signalisiert haben, daß sie nach einem Scheitern Annans in Bagdad eine neue Resolution nicht durch ihr Veto blockieren werden.
Zum zweiten ist unter den anderen 180 UNO-Mitgliedsstaaten in den vergangenen Tagen die Forderung nach einer Vermittlungsmission des Generalsekretärs erheblich lauter geworden. Und schließlich haben im US-Kongreß und den Medien die kritischen Stimmen zugenommen, die die mittel- und langfristigen Ziele einer Militäraktion hinterfragen.
Auch die Warnungen, ein erneuter Golfkrieg werde den Nahost-Friedensprozeß vollends zerstören, die islamisch-fundamentalistische Opposition in vielen arabischen Staaten stärken und eine „neue Welle des Terrorismus“ auslösen, werden in den USA immer lauter.
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