: Scheitert der Gesinnungs-TÜV?
Soldatenvertretung hält die Pläne von Verteidigungsminister Rühe, Soldaten zusätzlich auf Verfassungstreue überprüfen zu lassen, für mitbestimmungspflichtig ■ Aus Bonn Bettina Gaus
Scheitern die Pläne von Verteidigungsminister Volker Rühe für eine zusätzliche Überprüfung von Soldaten auf ihre Verfassungstreue an der Mitbestimmung? Der Gesamtvertrauenspersonenausschuß (GVPA), der im wesentlichen Betriebsratsaufgaben für Soldaten wahrnimmt, hat sich jetzt mit dem Entwurf des Ministeriums befaßt. „Fragebögen, die Soldaten angehen, sind mitbestimmungspflichtig“, erklärte GVPA-Sprecher Hauptmann Wolfgang Bender gegenüber der taz.
Bender verwies auf mögliche Einwände gegen den Erlaß: „Ein Einwand könnte sein, daß die Personengruppe der Soldaten die gleichen Rechte nach dem Grundgesetz genießt wie alle anderen Bürger auch. Einschränkungen regelt Artikel 17 des Grundgesetzes. Soldaten sind durch Eid und feierliches Gelöbnis ohnehin mehr als andere Berufsgruppen dem Grundgesetz verpflichtet.“ Zum Ergebnis der Beratung wollte sich der GVPA-Sprecher nicht äußern. Die Stellungnahme soll in der nächsten Woche dem Ministerium zugeleitet werden.
Die Meinung der Interessenvertretung der Soldaten, dem Bundeswehrverband, hat Volker Rühe bislang nicht eingeholt. Dessen Vorsitzender Oberst Bernhard Gertz dazu: „Ich stehe juristisch auf dem Standpunkt, daß der Verteidigungsminister den Bundeswehrverband vor Inkraftsetzung des Erlasses beteiligen muß. Da das bisher nicht geschehen ist, stehe ich in froher Erwartung.“ Gertz hat Rühes Pläne in den letzten Tagen scharf kritisiert.
Ablehnend hat gestern auch der FDP-Wehrexperte Günther Nolting auf das Vorhaben reagiert. Er erklärte, seine Partei stelle sich gegen jeden Versuch, „unter verschiedensten Decknamen einen Radikalenerlaß oder eine Gesinnungsprüfung für Soldaten einzuführen“. Ähnlich äußerten sich Politiker von SPD und Grünen.
In dem Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue, der der taz vorliegt, werden Soldaten drei Fragen gestellt. Sie sollen Auskunft geben über rechtskräftige Verurteilungen in Strafverfahren und über schwebende Verfahren wegen Verdachts verschiedener Straftaten wie Körperverletzung, Volksverhetzung oder Landfriedensbruch. Außerdem werden sie über gegenwärtige oder ehemalige Mitgliedschaft in Parteien oder Organisationen befragt, die als verfassungswidrig bzw. -feindlich eingestuft oder verboten sind. Die Liste umfaßt neben anderen „Republikaner“, NPD, DKP und die Kommunistische Plattform der PDS.
Im Januar hat das Ministerium gegenüber den zuständigen Stellen den vom Erlaß betroffenen Personenkreis definiert. Die „zusätzliche Verfassungstreueprüfung“ soll künftig vor der Ernennung zum Feldwebel und Leutnant, bei der Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten und vor einer Verwendung als Jugendoffizier oder einem „exponierten Auslandsdienstposten“ erfolgen. Bestehen Zweifel an der Verfassungstreue, „ist dem Soldaten Gelegenheit zu geben, die Zweifel in einem Personalgespräch auszuräumen“. Kommentar Seite 12
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