: Herzblut unter Palmen
Eine Frau hat es in die Südsee verschlagen. Sie schreibt darüber ■ Von Edith Kresta
Der Traum von den freundlichen Inseln der Südsee hat sich als Bild vom Paradies in unseren Köpfen festgesetzt. „Den Traum von den freundlichen Inseln“ träumte auch Anette Magdalena Moranz, geboren in Hennigsdorf bei Berlin. Und sie schrieb unter diesem Titel ein Buch. Zusammen mit ihrem deutschen Mann wagte sie den Ausstieg. Sie gaben ihre gesicherte Existenz in Deutschland auf. Tonga, der winzige Fleck am anderen Ende der Welt, war das Ziel ihres Auf- und Ausbruchs.
Prompt verliebte sich Anette in Land und Leute. So nachhaltig, daß sie ihren Mann verließ und den Tongaer Keneti heiratete. Keneti ist ganz der Archetyp des unverdorbenen Fischers. Der Mann im Naturzustand. Soweit die traumhafte Seite der Geschichte.
Und diese hat Anette Magdalena Moranz, die heute Aneti M. Moimoi heißt, nie losgelassen, trotz herber Enttäuschungen, familiärer Katastrophen. Aneti bekam zwei Kinder und mußte sich mit ihrer Familie recht und schlecht durchschlagen, während er sich den männlichen Gepflogenheiten ergab: Nächte mit seinen Freunden durchzechte und außer Haus verbrachte. Auch das Leben unter Palmen ist nur selten eitel Sonnenschein. Aneti ist eigentlich unglücklich, kommt mit vielen kulturellen Selbstverständlichkeiten nicht klar. Doch sie bleibt ihrem Südseeparadies unbeirrt treu: „Meine Miene verrät nichts vom Trauerspiel meiner Seele. Mich umarmt ja die Sonne. Dort am Hotel-Pool unterm Sonnenschirm kann ich nach Lust und Laune für ganze sechzig Cents (für die Eistüte) in eine andere Rolle schlüpfen. Und zwar so gekonnt, daß ich den Unterschied zwischen Phantasie und Wirklichkeit selbst nicht mehr zu erkennen vermag.“ Das ist vielleicht ihr Dilemma. Träume halten sich eben hartnäckig.
Das Buch, das nicht gerade als literarisch wertvoll glänzt, bringt viel vom Alltagsleben auf Tonga rüber. Es gibt Einblick in die Wertigkeiten der tongaischen Gesellschaft. Und es schildert die Dramen des Zusammenlebens verschiedener Kulturen. Hautnah. Anetis Aufzeichnungen über 15 Jahre in Tonga sind persönlich, gemütsvoll. Dieser intime Blick ins Leben der Aneti M. Moimoi ist sicherlich für den Leser herzzerreißend voyeuristisch, ein traumhaftes Mißverständnis aus erster Hand. Für Aneti ist es das gnadenlos ehrliche Drama vom Glück. Herzblut unter Palmen, ganz im Stile von Courths-Mahler. Das Buch ist leichte Kost für heiße Tage unter Südseepalmen.
Aneti M. Moimoi: „Der Traum
von den freundlichen Inseln“,
Tanner Verlag, 1997, 409 Seiten,
27,80 DM.
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