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Rechter Saalschutz an Kieler Universität

Bei einer Veranstaltung der „Hochschulgilde Theodor Storm“ an der Kieler Hochschule traten junge Männer in Bomberjacken als Saalschutz auf. Das Rektorat will der Gilde kein Auftrittsverbot erteilen  ■ Aus Berlin Christian Füller

Die Szenerie erinnerte an finsterste Zeiten deutscher Hochschulen. In der Christian-Albrechts-Universität Kiel war Saalschutz für eine Diskussionsrunde aufmarschiert. Im Gleichschritt geleiteten Jungmänner des „Freiheitlichen Volksblocks“ den national gesinnten Ökologen Baldur Springmann in einen Hörsaal gleich neben dem Audi Max. Buntberockte Mädchen schritten voran.

Die Volksblockleute – ganz in Schwarz gekleidet, mit Springerstiefeln und Bomberjacken, am hellichten Tag mit langen Stahltaschenlampen herumfuchtelnd – hinderten ungebetene Gäste am Zutritt. Der von Studenten um Hilfe gebetene Rektor der Universität, Ruprecht Haensel, reagierte ratlos. Der Hausherr der akademischen Anstalt fragte die gleichfalls anwesende Polizei, ob etwas gegen die Veranstalter vorliege – und ließ die gespenstische Versammlung von rund 60 Altnazis, Burschenschaftlern und Mitgliedern des „Ringes Christlich Demokratischer Studenten“ (RCDS) über „Ökologie und Religiösität“ diskutieren.

Die Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses (Asta), Josefine Kienecker, erinnert sich nicht gern an den „unheimlichen und gruseligen“ Auftritt Ende Januar. Wie ihre Kommilitonen ist sie vor einer Wiederholung kaum gefeit. Die Veranstalter von der „Hochschulgilde Theodor Storm“ genießen den Status einer Hochschulgruppe. Damit haben die Verteiler einschlägiger Flugblätter, die den alliierten Luftangriff auf Dresden 1945 als „systematischen Massenmord“ („sie starben allein deshalb, weil sie Deutsche waren“) bezeichnen, das Recht, die Universität als Veranstaltungsort zu nutzen. Der Asta habe „keine klar abgesteckte Strategie dagegen“, sagt Kienecker. „Man muß warnen“, macht sich die 20jährige Jurastudentin Mut.

Der Syndikus der Universität Kiel, Claus Frömsdorf, sieht „keine rechtliche Handhabe“, der Storm-Gilde die Anerkennung als Hochschulgruppe zu nehmen. Ihre Satzung sei korrekt. Das heißt, die „Hochschulgilde Theodor Storm“ wird im April ihren nächsten Aufzug haben. Sie wird an der Institution, die von öffentlicher Diskussion lebt, weiter Veranstaltungen für eine ganz spezielle Öffentlichkeit abhalten. An diesen neurechten Alltag hat sich die Christian- Albrechts-Universität beinahe gewöhnt. Der RCDS wird von der Gilde unterwandert. Eine Reihe von Gildestudenten sind Mitglieder des RCDS und stellen sich zur Wahl ins Studentenparlament. „Ich lasse mir nicht von Linksradikalen diktieren, wer auf unseren Listen kandidiert“, verteidigt der RCDS-Vorsitzer an der Universität, Jörn Fischera, die Doppelmitgliedschaften. Der Geschichtsstudent mag über die Storm-Gilde nichts kommen lassen. Auch nach dem Aufmarsch des „Freiheitlichen Volksblocks“ bei deren Veranstaltung nicht. „Das war Naivität, Dummheit“, meint Fischera, „das nächste Mal werden sie nur eigene Leute als Saalschutz benutzen.“

Intellektueller Kopf der Gilde ist Rüdiger Dorff. „Wir beschäftigen uns mit Kultur, Volkstänze zum Beispiel, vor allem deutsche Tänze“, beschreibt er den Vereinszweck. Vom „Freiheitlichen Volksblock“, der seinen Referenten Springmann militärisch in den Hörsaal eskortiert hatte, habe er nichts gewußt, betont Dorff.

Doch der Jurastudent ist politisch eindeutiger engagiert, als er glauben machen will. Dorff firmierte als „Bundesführer“ der „heimattreuen Jugend“, einer Organisation, die einst Kontakte zur mittlerweile verbotenen neonazistischen Wiking-Jugend pflegte. Er ist zugleich Mitglied des RCDS und war 1995/96 sogar Landesvorsitzender der Unionsstudenten. Kein Wunder, daß sich der RCDS jeder Kritik an Rechtsaußen enthält. Als das Studentenparlament von FDP bis zur Antifa einstimmig eine Resolution gegen den Auftritt von Neonazis an der Universität verabschiedete, fehlten nur die Stimmen der vier RCDSler – sie hatten den Saal vorher verlassen. Die Mutterpartei läßt so viel aktive Ignoranz nicht mehr kalt. Der CDU-Landesvorstand will sich mit den engen Verbindungen zwischen seiner Studentenorganisation und Rechtsextremen befassen.

Das Rektorat fühlt sich indes auch nach der vom „Freiheitlichen Volksblock“ bewachten Veranstaltung an der Christian-Albrechts-Universität als Herr der Lage. „Wir wollen hier keine Schlägertrupps“, versichert Syndikus Claus Frömsdorf, „das ist nicht unser Verständnis von Universität.“ Doch die Parole des Juristen reicht nicht weit. Ein Zimmer weiter zweifelt sein Rektoratskollege und Sprecher der Universität, Gerhard Bagan, immer noch, ob die Jungmänner überhaupt auf dem Campus waren. Für ihn ist die Uni eh „der Ort, wo man experimentieren können soll“.

Manch Studierender mag den rechten Universitätsalltag nicht mehr ertragen. Das Antifa-Plenum erhält Zulauf auch von Studierenden, die sich dort bisher nicht blicken ließen. „Es ist ein Unding, daß sich das Rektorat Uni auf formaljuristische Argumente zurückzieht“, sagt Sönke Zankel von der grünen Hochschulgruppe. Vielleicht holt sich der Rektor bald Rat beim Verfassungsschutz im hohen Norden. Die „zeitgemäße SS“, wie sich der Volksblock selbst nennt, wird dort als „neonazistische Kleingruppe“ eingestuft, die eine „nationale und soziale Revolution“ herbeiführen will. Auch auf die „Hochschulgilde Theodor Storm“ ist man aufmerksam geworden. „Wir können sie noch nicht endgültig einordnen“, sagt Verfassungsschutzleiter Michael Wolf. Es komme auf die aktiv- kämpferische Haltung gegen das Grundgesetz an – wie sie der Volksblock nun möglicherweise in die Hochschulgilde hineintrage.

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