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Die Krönung des ganzen Krampfes

■ Die neue starke Frau, wie sie Ridley Scott in "Die Akte Jane" sieht, flucht und wähnt sich zu allem Überfluß im Besitz eines Schwanzes

Sieh an, auch Frauen können ihren Mitmenschen die Fresse blutig schlagen. Können sich in der ruhmreichen Uniform einer Eliteeinheit im Schlamm wälzen und Zoten schreien, können mit langen Messern finsteren Muselmanen auflauern und ihren Macho-Kameraden aus der Navy das Leben retten. Die neue, die moderne und starke Frau, so zeigt es Ridley Scotts Film „Die Akte Jane“, rasiert sich den Kopf kahl wie ein Kerl, flucht wie ein solcher und ist auch mit dem härtesten militärischen Training noch nicht kleinzukriegen. Und als Krönung des Ganzen ruft sie: „Lutsch mir den Schwanz!

Bei diesem Selbstfindungsprozeß erhält die starke Frau – trotz Abwehr des Apparates – Schützenhilfe im Militär, zumal von ihrem smarten Ehemann. Am besten ist sie, wie die Heldin, gleich mit einem Offizier liiert. Nirgendwo sonst als bei der Armee, so die Logik des Films, kann sie mit soviel Kameradschaft und Treue rechnen. Alle für eine, eine für alle! Hat sie nämlich den Hohn der männlichen Soldaten erst einmal überstanden, den Frauen bei der Aufnahme in eine Eliteeinheit über sich ergehen lassen müssen, ist sie Teil einer einzigartigen Gruppe, einer aggressiven Gefühlsgemeinschaft, deren Gewaltbereitschaft per Befehl legitimiert ist.

Nein, es wäre naiv, von Ridley Scotts Film Nachdenken über Sinn und Unsinn von Waffen und Militär an sich zu erwarten. Und daher wirkt „Die Akte Jane“ über weite Strecken wie ein Werbevideo für harte Kerle, die sich schnellstmöglich zur Aufnahme in die Armee melden sollen. Wenn die jungen Rekruten, vom Kommandanten „schmalbrüstige Bürohengste“ beschimpft, schweißtriefend die knochenharte Ausbildung zur Spezialeinheit Navy SEALS absolvieren, dann wird ihr Durchhaltevermögen wirkungsvoll in Szene gesetzt. Zähne klappern, Nasen bluten, Muskeln spielen, und der Gehorsam hat natürlich bedingungslos zu sein. Ein richtiger Soldat nimmt sein Abendessen nach dem Einsatz aus der Abfalltonne ein. „Über 60 Prozent von euch werden ausscheiden“, verspricht ihnen Master Chief Urgayle (Viggo Mortensen). Wie soll eine Frau da mithalten?

Die Marine-Offizierin Lt. Jordan O'Neil (Demi Moore) wird von einer profilierungssüchtigen Politikerin an die Front geschickt. Mit Hilfe der attraktiven Jordan will sich die Senatorin Lilian DeHaven, die von Anne Bancroft schön fies gespielt wird, im Männerstaat tüchtig profilieren. Jordans Versagen ist von vornherein einkalkuliert – damit DeHaven dem patriarchalen Klüngel die Benachteiligung der Frauen hinterher unter die Nase reiben und sich selbst ins rechte Licht rücken kann. Doch Jordan scheitert allen Prophezeiungen zum Trotz nicht, sondern gewinnt bei haarsträubenden militärischen Einsätzen nach und nach das Vertrauen ihrer – ja, soll man sagen: Mitmachos?! Also muß die böse DeHaven zu weiteren fiesen Mitteln aus ihrer großen Trickkiste greifen. Sie lanciert Fotos von Jordan, die sie in Begleitung von Soldatinnen am Strand zeigen, und bezichtigt sie anonym der Homosexualität. Merke: Lesbischsein ist in der US-Army schlimmer als die qualvollste Mißhandlung. Und: Der größte Feind der Frau ist die Frau selbst. Besonders teuflisch aber sind weibliche Politiker.

Regisseur Ridley Scott, der mit „Thelma & Louise“ 1991 zwei sympathische starke Frauen in den verlorenen Kampf gegen diverse patriarchale Gewalttäter schickte, hat seinen neuen Film wohl als Angriff gegen das korrupte politische Establishment gedacht. Korrupt und profilierungssüchtig sind weltweit viele Politiker – das sei ihm vorbehaltlos geglaubt. Doch der Rückgriff auf die Navy ausgerechnet als Gegenpol zu den finsteren Ränkespielen einer Senatorin ist unglücklich gewählt. Schließlich – und das verschweigt auch „Die Akte Jane“ nicht – wird die Benachteiligung der US-amerikanischen Minderheiten bei der Armee über militärische Schikane erst einmal fortgeschrieben. Erst militärische Anerkennung als erfolgreicher Soldat bringt gewisse bürgerliche Rechte mit sich: Wenn du ein guter Soldat bist, bist du auch ein Mensch. Sein Großvater wollte im Zweiten Weltkrieg auf einem Schlachtschiff dienen, hört Jordan von einem schwarzen Rekruten. Mit der Begründung „Nigger würde man nachts nicht sehen“, wurde er abgewiesen. Nur der Posten als Schiffskoch blieb übrig für den Schwarzen.

Wird diese Behandlung jetzt auch am Beispiel der Frauen durchexerziert, die in der Vergangenheit ja schon als Krankenschwestern, Versorgungspersonal und Prostituierte im Troß verschiedener Armeen tätig waren? Nein, die Navy SEALS sind nicht die treuen Kameraden der um Anerkennung ringenden Frau. Sie sind nicht besser und nicht schlechter als der Rest der Welt.

In den letzten Szenen mutiert die schöne Demi Moore, die in Filmen wie „Ein unmoralisches Angebot“ und „Striptease“ schon ganz andere Aspekte ihrer Weiblichkeit zu präsentieren wußte, völlig zur kurzgeschorenen Kampfmaschine. Unter Lebensgefahr rettet Jordan bei einem Einsatz in Libyen ihrem widerlichen Master Chief die Haut. Am Ende des qualvollen Initiationsritus ist die Frau nun doch noch Teil der Einheit – die unbedingte Solidarität der Kameraden und soziale Anerkennung sind ihr sicher. Ridley Scott, der von sich sagt, er habe kein Problem mit starken Frauen, und der „sachlich und unverkrampft feministische Stoffe inszenieren“ will, „ohne in anbiederndes Bekennertum zu verfallen“, bekennt sich in „Die „Akte Jane“ zum Krampf. Josefine Janert

„Die Akte Jane“. Regie: Ridley Scott. Mit Demi Moore, Viggo Mortensen, Anne Bancroft. USA 1997, 124 Min.

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