Wasser, Wind und Wolle

Ökologisch wirtschaften: Mit nachhaltigen Umweltprojekten will die Nordseeinsel Pellworm ihr Eiland attraktiver machen  ■ Von Achim Fischer

Pellworm? „Das liegt irgendwo bei Husum“, rät die rheinische Redaktionskollegin. „Graue Stadt an der grauen Ostsee“, blamiert sich das hessische Pendant. Und die süddeutsche Fraktion „tippt mal auf eine Nordsee-Insel, so zwischen Holland und Dänemark“. Pellworm liegt im touristischen Windschatten seiner Nachbarinseln. Es hat keine Sandstrände und keine Shopping-Meilen zu bieten. Mit Engagement in nachhaltigen Umweltprojekten aber wollen die Insulaner ihr Eiland attraktiver machen – für Bewohner wie Gäste.

130 der 1200 InselbewohnerInnen sind Mitglied im Verein „Ökologisch Wirtschaften“. Der Verein unterstützt mehrere Projekte, die sich für eine nachhaltige Entwicklung im Sinne der Umweltkonferenz von Rio einsetzen. Sie versuchen, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken und streben eine vollständig regenerative Stromversorgung der Insel an.

Acht große Windräder stehen seit Herbst im Osten der Insel. 40 Insulaner sind an dem Kraftwerkspark mit Kapitaleinlagen beteiligt. Im Frühjahr soll der Park erstmals seine Spitzenleistung ins Netz abgeben: insgesamt 4,8 Megawatt. Zusammen mit bereits installierten 1,1 Megawatt ließe sich der Strombedarf der Insel locker decken – wenn der Wind das ganze Jahr über ununterbrochen wehte. Was er aber selbst auf einer Nordseeinsel nicht macht. Mehr als siebenhundertmal im Jahr flaut der Wind zu stark ab. In mehr als einem Viertel der Zeit stehen die Rotoren still.

Ein Blockheizkraftwerk, gefüttert mit Biomasse, etwa Raps, könnte während der Flauten einspringen. Auf der Insel gibt es jedoch nicht genügend getrocknetes Pflanzenmaterial. Die Insulaner müßten ein Kraftwerk mit sogenannter „Feuchtlinie“bauen. Das Problem: Es gibt dafür noch keine ausgereiften Kessel. Und der Anbau der Pflanzen auf der kleinen Insel würde stolze 80 Hektar benötigen .

Pellworm ist über ein Stromkabel mit dem Festland verbunden. Flauten – oder auch Überproduktionen der Windräder – können problemlos ausgeglichen werden. Pellworm ist damit ein ideales Experimentierfeld für Energieplaner: Die Inselgemeinschaft kann nach und nach auf regenerative Energieversorgung umgestellt werden, bis hin zur vollständigen Autarkie. Geht etwas schief, bleiben die Lichter aber dank des Seekabels immer an.

Für das Inselprojekt interessiert sich deshalb auch der Energieversorger Schleswag. „Ein solches System bietet sich für die Elektrifizierung der Dritten Welt und kleinerer Inseln an“, erklärt Gert Nimz, Windenergie-Experte des Unternehmens, das Interesse der Schleswag. Der Betrieb könnte das Know-how, das er zur Zeit – je nach Windverhältnissen – als Stromabnehmer oder -lieferant in Pellworm sammelt, später gewinnbringend in anderen Ländern verkaufen.

Ziel der Schleswag ist es, die vollständige Autarkie einzelner Verbrauchergemeinschaften zu erreichen. Das Problem sind dabei weniger die ausreichenden Leistungskapazitäten. Das Problem ist eher, eine Überproduktion bei starkem Wind zu vermeiden. Regulierbare Windräder sind bereits auf dem Markt. Sie sind jedoch relativ teuer und haben gegenüber den Standard-Anlagen noch technische Schwächen. Dennoch hat der Verein „Ökologisch Wirtschaften“bereits signalisiert, den Windpark unter Umständen nachzurüsten, um das Autarkie-Konzept im Sinne der Schleswag mit moderner Steuerungstechnik zu erproben.

Ein weiteres Projekt verbindet die Nordfriesen mit Hiiumaa – einer estländischen Insel. Beide Partner gingen eine „wool connection“ein: Pellworm liefert hochwertige Schafwolle plus Informationen zu nachhaltiger Landwirtschaft und Tourismus. Estländische Insulanerinnen verarbeiten die Wolle zu Pullovern, Handschuhen und Mützen. Verkauft werden die Produkte dann wieder in Pellworm. Der Erlös kommt den Frauen in Estland zugute. Von der Zusammenarbeit profitiert auch Pellworm: Es hat einen Abnehmer für die hochwertige Wolle, führt Verhandlungen mit Textilunternehmen über den bundesweiten Absatz der Ware – und hat mit den handgestrickten Pullovern aus naturbelassener Wolle eine neue Touristen-Attraktion zu bieten.