: NS-Urteile: CDU lenkt ein
■ Aufhebungsgesetz heute im Bundestag
Freiburg/Bonn (taz) – Die NS-Unrechtsurteile werden nun doch pauschal aufgehoben. Darauf einigte sich nach Angaben von Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) gestern eine Koalitionsrunde in Bonn. Nachdem die Union lange Zeit mauerte, werden die Koalitionsfraktionen wohl schon heute mit einem eigenen Gesetzentwurf ins Parlament gehen.
Die Koalition schlitterte damit nur knapp an einer innen- und außenpolitischen Blamage vorbei. Schon seit letztem Sommer liegt nämlich ein Referentenentwurf des Justizministeriums vor, mit dem NS-spezifische Strafurteile generell aufgehoben werden sollten. Urteile des Volksgerichtshofs und der in den letzten Kriegstagen eingerichteten Standgerichte sollten danach als ungültig erklärt werden. Urteile der übrigen Straf- und Sondergerichte und der Militärjustiz gelten dann als aufgehoben, wenn sie entweder auf Todesstrafe lauteten oder zumindest teilweise auf einem von 57 ausdrücklich genannten NS-Gesetzen beruhten.
Zu diesem Referentenentwurf verhielt sich die Union zunächst gleichgültig, später ausdrücklich ablehnend. Ihr rechtspolitischer Sprecher Norbert Geis erklärte im Januar, er halte ein solches Bundesgesetz für „überflüssig“. Neue Gesetze brauche man nur in den Bundesländern, in denen die Rechtslage bislang nicht ausreichend sei.
Nun war die Stunde der Opposition gekommen. Sowohl die SPD als auch die Bündnisgrünen übernahmen den Gesetzentwurf von Schmidt-Jortzig, verschärften ihn geringfügig und brachten ihn selbst in den Bundestag ein. Bei der für heute vorgesehenen ersten Lesung der Oppositionsentwürfe hätte die Union Mühe gehabt, ihre formalistische Position in der Öffentlichkeit deutlich zu machen.
Auch Justizminister Schmidt-Jortzig hatte nicht aufgegeben. Ihm ging es vor allem um ein Signal an das Ausland: „Deutschland muß klarstellen, daß es ein für alle Mal einen Schlußstrich unter die NS-Strafjustiz gezogen hat.“ Dieser Intention konnte sich jetzt wohl auch die Union nicht mehr entziehen und gab in der gestrigen Koalitionsrunde endlich nach.
Lediglich einige kleine Änderungen mußte der Justizminister an seinem Entwurf vornehmen. Die wichtigste davon: Todesurteile im Bereich des Militärstrafrechts werden nicht mehr automatisch aufgehoben, wenn auf die Tat auch schon vor 1933 die Todesstrafe stand. Eine entsprechende Ausnahme hatte bisher nur für das einfache Strafrecht gegolten. Christian Rath
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