: SPD: Putzfrauen für alle!
■ Das Wahlprogramm von Schröder und Lafontaine steht, der SPD-Vorstand erfährt's aus der Presse: Steuersätze senken, tolle Autos bauen und Dienstboten bezahlbar machen
Bonn (taz) – Als erste Maßnahme einer SPD-geführten Bundesregierung wollen die Sozialdemokraten ein Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit auflegen. Das geht aus ihrem Entwurf zum Regierungsprogramm 1998 bis 2002 hervor, der einigen Medien, darunter der taz, vorliegt. Nicht in Kenntnis gesetzt über den Text wurden bisher das SPD- Präsidium und der Parteivorstand. Mitglieder beider Gremien zeigten sich gestern entsetzt, daß sie das Nachsehen haben. Das Programm soll ihnen in den nächsten Tagen zugehen. Veröffentlicht werden sollte der Text ursprünglich erst nach der Präsidiumssitzung am 9. März.
„Das oberste Ziel“, so heißt es in dem von Parteichef Oskar Lafontaine und dem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder schon vor der Kandidatenentscheidung am Wochenende ausgearbeiteten Papier, sei „der Abbau der Arbeitslosigkeit“. Die SPD strebt ein „Bündnis für Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“ an. Ein konkreter Vorschlag betrifft von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierte „Dienstleistungsgutscheine“. Durch sie soll ermöglicht werden, daß sich auch „Normalverbraucher Haushaltshilfen leisten können“ und „der gewünschte Beschäftigungseffekt“ erzielt wird. Außerdem will die SPD auf die „Leistungsträger unserer Gesellschaft“ setzen, auf die „hochqualifizierten und motivierten Arbeitnehmer, die vorausschauenden und engagierten Manager, die innovativen Mittelständler, Handwerker und Freiberufler“.
Der Spitzensteuersatz soll von 53 auf 49 Prozent und der Eingangssteuersatz von 25,9 auf 15 Prozent gesenkt werden. Als Entlastung für eine durchschnittlich verdienende Familie mit zwei Kindern werden rund 2.500 Mark im Jahr angepeilt. Das Kindergeld soll um 30 Mark auf 250 Mark im Monat angehoben werden. Der „Schwerpunkt der Steuerreform“ liegt in der Beseitigung „ungerechtfertigter Steuervorteile“. Zudem will sich die SPD auf eine „konsequente Bekämpfung von Steuerhinterziehung“ konzentrieren.
Des weiteren plant die SPD, den Mißbrauch der 620/520-Mark-Jobs zu stoppen, Scheinselbständigkeit zu bekämpfen und ein Aktionsprogramm gegen illegale Beschäftigung zu starten. Arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern sollen Arbeit, Umschulung oder Weiterbildung angeboten werden. „Wir werden dafür sorgen“, heißt es, „daß Sozialhilfeempfänger angebotene Arbeitsplätze auch annehmen.“
Sowohl Lafontaine als auch Schröder haben bei der Formulierung des Programms Kompromisse machen müssen. Ein Schwerpunkt Lafontainescher Politik, die internationale Harmonisierung von Steuern und Abgaben, die Schröder für eher unrealistisch hält, kommt nur am Rande vor und durchzieht nicht mehr, wie der Leitantrag zum Parteitag in Hannover, das ganze Papier. Das Wort „ökologisch“ taucht fast nur in einem Kapitel auf, statt auch im übrigen Text im Zusammenhang mit Schlagwörtern wie Modernisierung oder Investitionen erwähnt zu werden. Aus der „Offensive“ für Solarpolitik ist die „Brücke ins Solarzeitalter“ geworden. Die Ökosteuer, als deren Gegner Schröder gilt, wird zwar gefordert; das Programm hebt aber darauf ab, die Ängste vor ihrer Umsetzung abzubauen: „Überzogene und untragbare Belastungen wird es mit der SPD nicht geben.“ Der Satz „Wir wollen, daß in Deutschland auch in Zukunft die besten Autos der Welt produziert werden“ ist wohl dem selbsternannten „Automann“ Schröder zuzuschreiben.
Beim Thema Innere Sicherheit kommt das Programm ohne die Hardliner-Positionen aus, wie sie Schröder etwa zur Abschiebung straffälliger Ausländer formuliert hatte. Gezielte Vorbeugung wird als bester Weg zur Vermeidung von Kriminalität angesehen. Die SPD will vor allem „gegen die sozialen Ursachen der Kriminalität vorgehen“. Für den Fall einer Regierungsübernahme plant die SPD, einige Maßnahmen der Regierung Kohl rückgängig zu machen. So etwa die „Fehlentscheidungen“ beim Kündigungsschutz, beim Schlechtwettergeld und bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die von der Koalition beschlossene „unsoziale Kürzung des Rentenniveaus“ soll ebenfalls revidiert werden. Markus Franz
Tagesthema Seite 3
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