■ Herzog: Keine Entschuldigung für den Völkermord an den Hereros: Die Gnade der späten Geburt
Afrika sei ein Kontinent der Hoffnung, sagte Präsident Roman Herzog, ehe er sich in dieser Woche zu einer Reise nach Namibia und Südafrika aufmachte. Hat man das nicht schon einmal irgendwo gehört? Doch immerhin ist er das erste deutsche Staatsoberhaupt, das in die einstige Kolonie reist. Das weckt dort Hoffnungen – nicht nur auf eine Fortführung der unbestritten hohen Entwicklungshilfe und auf mehr deutsche Investoren. Hoffnung auch bei den Hereros, Deutschland möge sich endlich für das Massaker entschuldigen, bei dem in den Jahren 1904 bis 1907 fast 70.000 Menschen abgeschlachtet wurden.
Roman Herzog traf zwar den heutigen Häuptling der Hereros persönlich – ganz „unverkrampft“ am Rande des Programms. Kanzler Kohl hatte dies 1995 in Namibia noch abgelehnt. Und Herzog räumte ein, das Verhalten der Deutschen bei der Niederschlagung des Herero-Aufstandes sei „nicht in Ordnung“ gewesen. Eine eigentümlich „unverkrampft“-bürokratische Formulierung für das Gemetzel, das andere als Völkermord einstufen.
Zwar bedauert der deutsche Präsident die Vorfälle von damals, eine offizielle Entschuldigung mochte er aber nicht aussprechen. Interessant, weil allzu peinlich, waren Herzogs Begründungen für diese Weigerung. Eine Entschuldigung sei allenfalls eine Worthülse, die mehr Schaden als Nutzen anrichte und bedeute, daß man persönliche Beteiligung zugebe. Zudem liege das Ereignis allzuweit zurück – die Gnade der späten Geburt als Paradigma deutscher Politik. Von Herzog hätte man das nicht unbedingt erwartet.
Hinter der Weigerung steht einmal mehr der Unwillen der Bundesrepublik, symbolisch – wie auch sonst – Verantwortung für vergangenes Unrecht zu übernehmen. Dies wäre um so leichter, als die Angst vor Reparationszahlungen hier nicht besonders schwer wiegen kann. Denn wie viele Hereros gibt es noch? Deren Hoffnung auf staatliche Anerkennung des erlittenen Unrechts ist nun endgültig dahin.
Hoffen dürfen dafür die 30.000 Deutschen oder zwei Prozent der Bevölkerung im Land. Den wenigsten kann man vorwerfen, übermäßig liberal zu sein. Herzog aber ist „besorgt“ über die Schwächung von Deutsch als Muttersprache, „weil dies eine gewisse Rückwirkung auf Deutschland haben könne“, und richtete mahnende Worte an Präsident Nujoma. Die Deutschen mußten „Südwest“ 1915 unrühmlich aufgeben. Doch wenn es um die Wahrung deutscher Rechte geht, gilt die Gnade der späten Geburt offenbar nicht mehr. Kordula Doerfler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen