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Monsieur Millionär

Roland Dumas, Exaußenminister und Verfassungshüter Frankreichs, steht wegen Korruption unter Beschuß  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Roland Dumas eine „Affäre“? Der Präsident des französischen Verfassungsrats, der Pariser Staranwalt, der Kunstsammler und der brillante Außenminister von François Mitterrand bei der deutschen Vereinigung, dem Golfkrieg und beim Zusammenbruch von Exjugoslawien – dieser inzwischen 75jährige ist jetzt vor die Justiz geladen. Für den 18. März haben die beiden Untersuchungsrichterinnen Eva Joly und Laurence Vichnievsky, die verschwundenen Millionen des Mineralölkonzerns Elf hinterherforschen, Dumas einbestellt, um ihm die „Taten, die ihm vorgeworfen werden, bekanntzugeben“, wie es in ihrem Schreiben heißt. Daß anschließend ein Untersuchungsverfahren gegen Dumas eröffnet wird, gilt als ausgemachte Sache.

Dumas, fünfte Person der französischen Polithierarchie, führte am Freitag ein vertrauliches Gespräch mit Staatspräsident Jacques Chirac. Ob es dabei auch um seinen eventuellen Rücktritt als oberster Verfassungshüter ging, wollte er nicht sagen. Zu dem laufenden Verfahren äußerten sich bloß Dumas' Anwälte. Sie halten die beiden Untersuchungsrichterinnen für formell inkompetent. Der Grund: Bei den Ermittlungen gehe es um Dumas' zweite Amtszeit als Außenminister zwischen 1988 und 1993, während der er „persönlich von indirekten Vorteilen profitiert haben soll“. Die Funktionen von Dumas als Regierungsmitglied, die Erdölinteressen, das Rüstungsgeschäft und die Klassifizierung als „Staatsgeheimnis“, um die es bei dieser Affäre gehe, übersteige aber die Zuständigkeit der nomalen Justiz. Die beiden Anwälte verlangen eine Verlagerung in den Gerichtshof der Republik, der für Verfahren gegen Regierungsmitglieder zuständig ist.

Dumas' mögliche Verwicklungen in eine Schmiergeldaffäre in Millionenhöhe geistern seit Ende vergangenen Jahres durch die Pariser Gerüchteküche. Eine Hausdurchsuchung bei Dumas im Januar intensivierte sie. Die ganze Sache ins Rollen gebracht hatte Ende November 1997 die Verhaftung von Christine Deviers-Joncour, eine enge Freundin von Dumas. Sie soll 1991 von dem mehrheitlich staatlichen Mineralölkonzern Elf angestellt worden sein, um Lobbying bei der französischen Regierung, insbesondere bei Außenminister Dumas zu betreiben, um deren Blockadehaltung gegen den Verkauf von Kriegsschiffen an den Taiwan aufzubrechen. Dafür soll sie den ansehnlichen Betrag von 59 Millionen Francs (zirka 18 Millionen Mark) kassiert haben.

Die inhaftierte Deviers-Joncour bestreitet diesen Arbeitsauftrag nicht. Auch nicht, daß sie dafür die genannte Geldsumme kassierte. Sie erklärt lediglich, daß sie das verlangte Lobbying in Wirklichkeit gar nicht betrieben habe und daß sie schon gar nicht Dumas, der ursprünglich besonders energisch gegen das Rüstungsgeschäft war, mit Geld umgestimmt habe.

Fest steht, daß die Pariser Regierung ihre Haltung änderte und daß die sechs Militärfregatten schließlich an den Taiwan verkauft wurden, sehr zum Entsetzen der Volksrepublik China. Fest steht auch, weil keiner der Beteiligten das bestreitet, daß Madame Deviers-Joncour Anfang der 90er Jahre ein Paar Luxusschuhe für Monsieur Dumas im Wert von 11.000 Francs (zirka 3.330 Mark) mit der Kreditkarte von Elf bezahlte. Und fest steht auch, daß auf das Konto von Außenminister Dumas Anfang der 90er Jahre insgesamt rund zehn Millionen Francs (etwa drei Millionen Mark) flossen – eine Geldmenge, die selbst Mitarbeiter seiner Bank beunruhigte.

Monsieur Dumas erklärt, bei den Überweisungen habe es sich um Honorare für seine Anwaltstätigkeit sowie um den Erlös aus dem Verkauf mehrerer Kunstwerke gehandelt. Und das Geld für die Schuhe habe er Madame Deviers- Joncour „später“ zurückgezahlt. Weitere Erklärungen gab er gegenüber den französischen Medien nicht ab. Gegen mehrere von ihnen haben seine Anwälte Verleumdungsverfahren angestrengt.

Die Recherchen der beiden Untersuchungsrichterinnen Joly und Vichnievsky, die im Rahmen ihrer Elf-Ermittlungen schon zahlreiche französische Spitzenmanager und Politiker verhört und teilweise inhaftiert haben, reichen in mehrere afrikanische Länder und über Konten in der Schweiz und Liechtenstein bis nach Deutschland in die Kassen der CDU. Mit Roland Dumas haben sie jetzt ihr bislang schwerstes Kaliber an der Angel. Die regierende Sozialistische Partei hält sich bisher auffallend bedeckt. Zahlreiche Konservative weiden hingegen im laufenden Regionalwahlkampf die Affäre als „weitere Spätfolge des Mitterrandismus“ aus.

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