piwik no script img

VerdrängungAltes VEB-Kombinat wird heimlich gentrifiziert

Es hätte ein Atelierhaus werden sollen. Doch jetzt saniert ein britischer Investor ein ehemaliges Fabrikgebäude an der Greifswalder Straße für Gewerbetreibende, die kräftig zahlen.

In der Greifswalder Straße 212/213 wird gebaut. Davon zeugt die seit Monaten eingerüstete Fassade des ehemaligen DDR-Modekombinats "VEB Treffmodelle" in Prenzlauer Berg. Was für Passanten nach einem ganz normalen Bauvorhaben aussieht, ist für Florian Schöttle allerdings "eine bittere Niederlage". Der Atelierbeauftragte des Landes vertritt die Interessen von KünstlerInnen. Den rund 150, die seit der Wende dort ihre Ateliers hatten, wollte er helfen, das alte Fabrikgebäude zu kaufen und zum Atelierhaus zu machen.

Sanieren darf jetzt aber ein britischer Investor mit Briefkastenadresse auf den Marshall-Inseln: Die bundeseigene Treuhand Liegenschaftsgesellschaft TLG hatte der Prime Realty Limited die Fabrik für 3,5 Millionen Euro verkauft - obwohl sie in einem Sanierungsgebiet mit soziokulturellem Fokus liegt. "Ein ganz harter Fall von Ignoranz" ist das für Schöttle. Keiner hindere die TLG daran, die Sozialstruktur des Kiezes zu ruinieren.

Der Grundstücksdeal wurde im September 2006 still und heimlich abgewickelt. Zuvor hatte es von allen Seiten Zuspruch gegeben für die Atelierhauspläne der Mieterinitiative "Treffmodelle". Ateliers für sechs Euro Warmmiete sollte es geben, eine Bestandsgarantie für den Club Magnet im Vorderhaus und das Theater Eigenreich im Hinterhaus, dazu eine Kita und eine Kantine für alle. Alle hielten die Idee für standortfördernd und finanziell umsetzbar: auch die damals amtierende Baustadträtin Almuth Nehring-Venus und der damalige Kultursenator Thomas Flierl (beide Linke). Nur die TLG stellte sich quer.

Als die KünstlerInnen einen Investor aufgetan hatten, der 3 Millionen hätte bieten können, bequemte sie sich zwar an den Verhandlungstisch. Doch plötzlich bekamen die Briten den Zuschlag. "Die Absage kam für uns völlig unvorbereitet", erinnert sich der "Treffmodelle"-Aktivist Günter zur Nieden. Anfangs hätte der neue Eigentümer sich sogar für die Atelierhaus-Pläne interessiert, es habe "intensive Gespräche" gegeben. Doch von einem Tag auf den anderen war Schluss mit der Gesprächsbereitschaft. Mindestens 8 Euro Warmmiete forderte die Prime Realty Limited, vertreten durch die Berliner Format Hausverwaltung, von den KünstlerInnen.

Die Verhandlungen scheiterten schnell, die neuen Mieter werden wohl Gewerbetreibende sein, die höhere Mieten zahlen können. Ein weiterer Beitrag zum Gentrifizierungsprozess im Sanierungsgebiet Winsstraße. Für dessen Teilbereich um die Greifswalder Straße läuft die Auszeichnung als Sanierungsgebiet in zwei Jahren aus. Der Investor kann also in aller Ruhe sanieren - und danach mit der 10.000-Quadratmeter-Immobilie machen, was er will.

"Warum darf die TLG eigentlich so ungestört schalten und walten?", fragt sich nicht nur Künstlervertreter zur Nieden. "Die TLG verweigert sich jeder vernünftigen städtebaulichen Entwicklung im Kiez", schimpft auch der Fraktionsvorsitzende der Pankower Grünen, Peter Brenn. Doch selbst als Vertreter der Opposition mag der Architekt der zuständigen Bezirksverwaltung keine Schuld geben: Der Bezirk sei gegen die Bundeseinrichtung relativ machtlos. Auch Andreas Brückner von der Betroffenenvertretung Winsstraße gibt sich resigniert. "Formal ist es korrekt gelaufen", sagt er. Eine sanierungsrechtliche Genehmigung des Bezirks liege vor, auch der Kaufpreis habe sich im Rahmen des ermittelten Immobilienwerts gehalten. Trotzdem sei die Heimlichkeit des Verkaufs merkwürdig gewesen. "Es ist typisch, dass man solche Geschäfte erst mitkriegt, wenn sie längst gelaufen sind."

Noch ist an der Greifswalder Straße 212/213 aber nicht alles verloren. Die KünstlerInnen mussten zwar längst die Ateliers räumen, doch dem Magnet und den Theater hat der neue Eigentümer die Verträge verlängert. "Immerhin ein Teilerfolg für die Kreativität", so der Atelierbeauftragte. Wenn auch nur für die profitable. Nina Apin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!