Blaues Auge für Chinas Li Peng

Mit einem Protestvotum hat Chinas Volkskongreß gestern den bisherigen Ministerpräsidenten Li Peng zum neuen Parlamentschef berufen. Die knapp 3.000 Delegierten bestätigten außerdem Staats- und Parteichef Jiang Zemin für weitere fünf Jahre als Präsident und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Der Aufsteiger Hu Jintao wurde überraschend neuer Vizepräsident und damit möglicher Nachfolger Jiangs.

Obwohl Mitglieder der Fraktion um Li Peng bis zuletzt um Stimmen für den 69jährigen geworben hatten, versagten ihm elf Prozent der Abgeordneten die Unterstützung. Er hatte das zweitschlechteste Ergebnis aller Kandidaten. 2.616 stimmten für Li, doch mußte er 200 Gegenstimmen und 126 Enthaltungen hinnehmen. Er durfte verfassungsgemäß keine dritte Amtszeit als Ministerpräsident mehr antreten. Li ist im Volk nicht populär, weil ihm die Verantwortung für die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4.Juni 1989 angelastet wird. Vor der Sitzung des Volkskongresses hattten sich Regimegegner in Briefen gegen seine Wahl zum Präsidenten des Parlaments ausgesprochen.

Auch sahen die Delegierten mit Unbehagen, wie ihr bisheriger Parlamentschef Qiao Shi (73), der dem Parlament neues Ansehen verschafft hatte, ins Abseits manövriert worden war. Die einstige Nummer drei in der Machthierarchie galt als Rivale von Jiang Zemin. Qiao Shis Schützling Tian Jiyun (69) wurde aber mit überwältigender Mehrheit (2.901 Stimmen) als erster stellvertretender Parlamentschef bestätigt. dpa

Kommentar S. 12, Portrait S. 13