: Bewegung der Frauen
1967. In Berlin entsteht am Rande der Studentenbewegung der Aktionsrat zur Vorbereitung der Befreiung der Frauen. Die Mitglieder, hauptsächlich Mütter, diskutieren über „Frauenbefreiung und Kinderfrage“ und gründen die ersten Kinderläden.
1968. Beim Bundeskongreß des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) in Frankfurt fliegen nach der Rede einer Aktionsratsfrau weiche Tomaten auf die Genossen, die eine Diskussion über die Frauenfrage abwürgen wollen. Der Frankfurter Weiberrat und die ersten Frauengruppen entstehen. Eine antiautoritäre, feministische Euphorie bricht im Dunstkreis des SDS und der APO aus. Es gibt noch keine feministische Theorie, auf die sich die Frauen stützen können, und das Wissen um die historische Frauenbewegung ist völlig verschollen. Nach zwei Jahren ist die Euphorie dahin. Hauptsächlich in den Universitätsstädten werden die Frauengruppen von linken Dogmatikerinnen unterwandert, sie zersplittern, zerfallen. Doch die Gruppen jenseits dieser Szene, die leiser und unspektakulär arbeiten, existieren weiter.
1971. In der Bundesrepublik tobt die Diskussion um den Abtreibungsparagraphen 218. Nach französischem Vorbild initiiert Alice Schwarzer mit Hilfe des noch bestehenden Frauennetzwerks eine Kampagne in der Illustrierten Stern, bei der Hunderte Frauen bekennen: „Ich habe abgetrieben.“ Die Frauenbewegung hat einen neuen Impuls und ein einigendes Thema. Neue Gruppen entstehen, die Aktionen gegen den Paragraph 218 werden über viele Jahre fortgesetzt, die schließlich – wenn auch nicht zu seiner Abschaffung, so doch zu seiner Liberalisierung führen.
Ab 1972. Im Schatten der Abtreibungsdiskussion beschäftigen sich die Frauengruppen auch mit anderen Themen: Sexualität, Pornographie, Diskriminierung im Beruf, Gewalt zwischen den Geschlechtern. Der Bundesfrauenkongreß in Frankfurt ruft Frauen dazu auf, sich selbst zu organisieren, „autonom“ zu werden. Der Startschuß für eine Massenbewegung ist gefallen.
Die Projekte und Initiativen organisieren sich selbstbestimmt, separieren sich von den Männern und arbeiten unabhängig von anderen politischen Gruppen. Beratungs- und Informationszentren werden aufgebaut. Es gibt Demos, Tribunale, Kundgebungen. Nach amerikanischem Vorbild entstehen die ersten Selbsterfahrungsgruppen.
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