: Der Gigant geht wieder in Papier
■ Mit seiner US-Übernahme vertraut Bertelsmann aufs Stammgeschäft
Washington/Berlin (taz) – Zwei Bücher stehen in so gut wie jedem amerikanischen Haushalt, die Bibel und Webster's Collegiate Dictionary. Das zweite kommt von Random House ist seit Wochenanfang fest in deutscher Hand: Indem sich der Gütersloher Bertelsmann- Konzern den Verlag Random House gesichert hat, ist der Medienriese zum mit Abstand größten Buchunternehmen der englischsprachigen Welt aufgestiegen – weltgrößter Buchproduzent und drittgrößter Medienkonzern durfte Bertelsmann sich vorher schon nennen. In den USA nimmt damit sowohl die Konzentration am Buchmarkt zu wie auch der Anteil ausländischer Unternehmen, die nun mehr als die Hälfte des US-Buchverkaufs in der Hand haben. Hinter Bertelsmann folgt der weltfünftgrößte Medienkonzern Viacom mit dem Verlag Simon and Schuster und Medienzar Rupert Murdoch, dem unter anderem HarperCollins gehört.
Random, die Gründung zweier Buchliebhaber, die 1923 ihre Bücher noch selbst in die Buchläden trugen, schrieb einst Literaturgeschichte mit der Veröffentlichung von James Joyce' „Ulysses“, dessen Verbot die Verleger vor Gericht erfolgreich abwehrten. Doch in letzter Zeit machte der Verlag das große Geld mit Bestsellerautoren wie Michael Crichton und John Grisham.
Was das Zusammenlegen von Bertelsmanns US-Buchsparte Bantam-Doubleday mit Random House für die Welt der Bücher und der Literatur bedeutet, ist umstritten. Agenten etablierter Autoren wie Esther Newberg befürchten, daß das Zusammenstreichen der Literaturlisten auf Bestseller weitergehen wird. Robert Gottlieb von der William Morris Agency hingegen glaubt, daß mit der geballten Finanzmacht des neuen Besitzers jetzt neue Talente besser gefördert werden können. Sicher ist, daß Bertelsmann-Random House jetzt einen eigenen Online-Bücherdienst aufbauen will, der dem erfolgreichen Internet-Anbieter Amazon.com Konkurrenz machen soll. Was das amerikanische Kartellamt zu der Elefantenhochzeit sagt, ist noch nicht raus.
Bertelsmann hatte bislang mit zwei großen Imageproblemen zu kämpfen, und mit beiden hat die Operation zu tun, die der designierte Vorstandschef Thomas Middelhoff mit aushandelte. Auf dem US-Markt war der deutsche Medienriese bislang kaum bekannt, obwohl er schon jetzt mehr als ein Drittel seines Umsatzes dort macht – vor allem mit der Entertainmentsparte BMG und ihren Musiklabels RCA und Arista. Der Anteil soll auf 40 Prozent steigen.
Außerdem wurde der Konzern, der sich mit seinen Fernsehaktivitäten (CLT-Ufa/RTL-Gruppe) und dem Online-Engagement (America Online) gern als Multimedia-Unternehmen sah, in der Öffentlichkeit immer wieder auf sein Stammgeschäft der Buchverlage und Buchklubs reduziert, das inzwischen mit Klubs bis nach China reicht. Diese Sparte wird mit dem US-Rieseneinkauf weiter gestärkt. Der Gigant, dessen Digitalfernsehpläne mit Leo Kirch aus Kartellrechtsgründen stocken und dessen Onlinegeschäft sich langsamer entwickelt als geplant, geht wieder in Papier – auch wenn einige Beobachter einwenden, die Übernahme könnte einen Schritt zum multimedialen Inhalteproduzenten bedeuten. „Inhalte“, wie sie auch die Bestseller von Random House liefern, lassen sich im Digitalzeitalter nämlich in jedem Kanal verwerten – als Video, TV-Drama, Onlineangebot oder eben klassisch als Buch. taut/lm
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