: Die Nato darf sich erweitern
■ Der Bundestag stimmte der Osterweiterung zu. Vor dem Beschluß wurde heftig debattiert. Die Grünen enthielten sich zum überwiegenden Teil der Stimme, wofür sie gescholten wurden
Bonn (dpa) – Als viertes Nato- Land hat Deutschland gestern dem Beitritt Polens, Tschechiens und Ungarns zum westlichen Bündnis formell zugestimmt. Der Bundestag billigte die Protokolle zur Nato-Osterweiterung mit der erwarteten großen Mehrheit von 554 gegen 37 Stimmen bei 30 Enthaltungen. Die dreistündige Debatte war geprägt von Kritik an Bündnis 90/Die Grünen, die in der Beitrittsfrage gespalten sind. Vor dem Bundestag hatten bereits die Parlamente von Kanada, Dänemark und Norwegen die Nato-Ausdehnung gebilligt.
Redner der Koalition und SPD- Opposition betonten übereinstimmend, die Aufnahme der östlichen Nachbarn stärke die Stabilität in Europa und bedeute keine Ausgrenzung Rußlands. Zeitgleich mit der Debatte bekräftigten Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Staatschef Jacques Chirac bei einem Dreiergipfel mit Präsident Boris Jelzin in Moskau, daß die Allianz Rußland als wichtigen Partner für ein Sicherheitsbündnis in Europa betrachte.
Außenminister Klaus Kinkel hob in einer Regierungserklärung hervor, für die Deutschen sei es eine historische und moralische Pflicht, den Beitritt der osteuropäischen Länder zur Nato und zur EU zu unterstützen. „Ohne den Freiheitswillen unserer östlichen Nachbarn und Freunde hätten wir unser wichtigstes nationales Ziel – die Einheit – nicht erreicht“, sagte er. Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) unterstrich, die Integration neuer Nato-Mitglieder werde ausbalanciert durch die Sicherheitspartnerschaft mit Rußland und der Ukraine.
Die Meinungsunterschiede der Grünen wurden in ihrem Abstimmungsverhalten deutlich: 14 Abgeordnete, darunter Joschka Fischer, Antje Vollmer, Rezzo Schlauch und Waltraud Schoppe, votierten für die Erweiterung. Sechs Grünen-Politiker stimmten dagegen, und mit 25 Parlamentariern übte die größte Gruppe der Fraktion Stimmenthaltung. Von der PDS stimmten alle 28 anwesenden Abgeordneten mit „Nein“. Zwei weitere Gegenstimmen kamen von der SPD. Vier Sozialdemokraten und ein Unionspolitiker enthielten sich. Der fraktionslose Kurt Neumann lehnte die Aufnahme neuer Nato-Mitglieder ab.
In der Debatte hatte der Grünen-Politiker Gerd Poppe seine Zustimmung damit begründet, daß die Osterweiterung die Chance für ein neues gesamteuropäisches Sicherheitssystem sei. Seine linke Fraktionskollegin Angelika Beer sah darin hingegen neue Gefahren für die Stabilität in Europa. Fraktionschef Joschka Fischer meinte nach der Debatte, er habe sich im Interesse einer berechenbaren Außenpolitik für ein „Ja“ entschieden. Unterschiedliche Positionen beeinträchtigten aber nicht die Regierungsfähigkeit der Partei.
Klaus Kinkel nannte die Haltung der Grünen „unmoralisch“. Nach Rühes Worten ist es ein „historischer und moralischer Skandal“, sich dem Beitritt der drei Reformstaaten zu verweigern. Auch Koalitions- und SPD-Abgeordnete griffen die Grünen zum Teil scharf an.
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