: Kritik an Beck
Von seinem „Bürgerarbeits“- Konzept erhofft sich Ulrich Beck, daß bei gesellschaftlicher Förderung der überwiegend ehrenamtlichen Tätigkeiten als „3. Arbeitsmarkt“ Millionen neuer Jobs entstehen könnten. Viele Wirtschaftsforscher bezweifeln das.
Denn auf dem ersten (überwiegend marktwirtschaftlich orientierten) und zweiten (überwiegend staatlich finanzierten) Arbeitsmarkt einerseits und auf dem dritten andererseits geht es um ganz verschiedene Formen der Arbeit. Dort ist sie als Lohnarbeit definiert, während sie hier selbstorganisiert funktioniert, sich an Bedürfnissen und gerade nicht am finanziellen Nutzen orientiert.
Die Kritik von Ökonomen setzt denn auch an diesem Punkt an. „Warum sollen Bürgerarbeiter keinen richtigen Lohn bekommen?“ wundert sich Volker Meinhardt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Staat müsse sich entscheiden: Ist es Arbeit oder nicht? Wenn ja, „muß die Tätigkeit mit einem normalen Lohn vergütet werden“. Ansonsten bürde die Gesellschaft den Arbeitslosen die Last auf, erwünschte Tätigkeiten unter Wert zu verkaufen.
Aufgrund seiner Konstruktion des „Bürgerarbeits“-Sektors muß sich Ulrich Beck nicht die Frage stellen, wie die zusätzlichen Tätigkeiten bezahlt werden sollen. Gilt jedoch das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, zeigt sich hier die Schwachstelle seines Konzepts. Ähnlich wie Kollegen vom Münchener Ifo-Institut und vom DIW kritisiert der Bremer Ökonom Rudolf Hickel: „Die Antwort auf die Finanzierungsfrage bleibt bei Beck im dunkeln.“
Wenn „Bürgerarbeit“ sieben Millionen Menschen ein annähernd existenzsicherndes Einkommen garantieren soll, würden bei 1.500 Mark monatlich 126 Milliarden Mark zusätzlich notwendig – jedes Jahr zu bestreiten aus den öffentlichen Haushalten. Auch könnte sich der Kreis der Anspruchsberechtigten stark vergrößern. Konsequent geförderte „Bürgerarbeit“ wäre also „irrsinnig teuer“ (Meinhardt). Zum Vergleich: Die Summe für Arbeitslosen- und Sozialhilfe betrug 1997 bundesweit 64 Milliarden Mark – die Hälfte dessen, was sieben Millionen BürgerarbeiterInnen kosten würden. Und: Dieses Geld ließe sich auch nicht einfach umleiten, denn die zu bezahlenden Bevölkerungsgruppen würden sich nur teilweise überschneiden.
So empfehlen denn sowohl Volker Meinhardt vom arbeitnehmerfreundlichen DIW als auch Kollege Rüdiger Parsche vom konservativen Ifo-Institut, auf den traditionellen, ersten Arbeitsmarkt zu bauen. Unter anderem wegen der unrealistischen Finanzierung „gibt es keinen Grund, auf Lösungen durch Bürgerarbeit zu hoffen“, urteilt Meinhardt.
Auch Rudolf Hickel warnt davor, von „Bürgerarbeit“ einen entscheidenden Beitrag zur Senkung der Massenarbeitslosigkeit zu erwarten. Doch hält er „einen materiellen Ausgleich durch neue Formen der Arbeit“ durchaus für sinnvoll. „Bürgerarbeit“ könne helfen, materielle Verluste durch Arbeitszeitverkürzung etc. teilweise auszugleichen. Das Geld dafür könne zumindest zum Teil durch die neue Ökosteuer aufgebracht werden. Hannes Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen