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Die „Gretchenfrage“ wird ausgeklammert

■ Ulla Schmidt (SPD) ist Bundestagsabgeordnete und Expertin für Gleichstellungsfragen

taz: Innerhalb kurzer Zeit haben sich gleich zwei Frauenbündnisse zu Wort gemeldet. Sie, Frau Schmidt, sind an beiden beteiligt. „Frauen wollen eine andere Politik“ startete vor einem Monat, jetzt gibt es noch die Wahlkampfinitiative. Finden Sie das nicht kontraproduktiv?

Ulla Schmidt: Nein. Das eine schließt das andere nicht aus. Bei der ersten Initiative geht es um eine grundsätzliche andere Politik und einen Regierungswechsel. Die jetzige richtet sich zum einen an die Wählerinnen, zum anderen an Parlamentarierinnen. Unser Ziel ist es, Fraueninteressen stärker zu berücksichtigen.

Das heißt konkret?

Die Wählerinnen werden aufgefordert, ihre politischen Rechte wahrzunehmen und mit ihrer Stimme deutlich zu machen, welche Politik sie wollen. Als Parlamentarierinnen wollen wir eine Reihe von Fragen gemeinsam vertreten: zum Beispiel sexuelle Gewalt, Schutz von Frauen vor Menschenrechtsverletzungen, die Forderung nach mehr Frauen in der Politik.

Im Rahmen der ersten Initiative wollten Sie sich, Frau Schmidt, mit Christdemokratinnen nicht an einen Tisch setzen.

CDU/CSU-Frauen haben an vielen Punkten im Bundestag gegen die Interessen von Frauen gestimmt, zum Beispiel bei Fragen der Existenzsicherung, Rentenversicherung, Ausbildungssituation...

... und diese Punkte werden jetzt ausgeklammert?

Nein, sondern wir fragen uns, was wir gemeinsam im Bundestag machen können. Es geht um einen Minimalkonsens, auf den wir uns als Frauen einigen können.

Ihre Initiative will die Interessen von Frauen in diesem Wahlkampf „zur Gretchenfrage“ erklären. Aber bei einer Wahl ist die Gretchenfrage nun mal: Welche Partei wähle ich?

Da vertreten die CDU-Frauen ihre Auffassung und wir unsere.

Schöne Gemeinsamkeit.

Wir treten doch nicht als gemeinsame Initiative für den Wahlkampf an, sondern wir wollen massiv darauf aufmerksam machen, daß es dabei auch um Fraueninteressen geht. Dann müssen die Wählerinnen entscheiden, welche Partei am besten ihre Interessen vertritt.

Wer hat diese Initiative angestoßen?

Alice Schwarzer.

Sie brauchten eine Parteilose, um als Parteifrauen eine Initiative zu starten?

Sie sind jetzt ungerecht. Die Initiative ist vielleicht nicht von uns ausgegangen, weil wir uns in einem Wahljahr befinden. Aber es hat immer wieder solche Fraueninitiativen im Bundestag gegeben.

Wer macht denn nach Meinung der Initiative die beste Frauenpolitik: Kohl, Fischer oder Schröder?

Darüber haben wir nicht gesprochen. Wir waren uns nur darin einig, daß die Frauenpolitik in allen Parteien erkämpft werden muß. Das wird uns nirgendwo geschenkt. Interview: Bascha Mika

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