: Zankapfel Pflege
■ Auf dem Rücken der Pflegebedürftigen: Streit zwischen Pflegediensten und Kassen
Die Auseinandersetzung wehrt schon über ein Jahr, doch die Beteiligten werden nicht mürbe: Pflegedienste und Ersatzkassen können sich weiterhin nicht einigen, wie die häusliche Pflege bezahlt werden soll. Der Zankapfel hat für die Pflegebedürftigen einen bitteren Beigeschmack: Viele alte, chronisch kranke oder behinderte Menschen wissen nicht, wie sie zurechtkommen sollen.
Der Hintergrund: Die Ersatzkassen hatten mit den Pflegediensten eine Abmachung über die Abrechnung von Leistungen. Seit dieser Vertrag aufgekündigt wurde, ist keine Neuregelung zustande gekommen. Die Pflegebetriebe weigerten sich, einer Neureglung zuzustimmen, mit der die Rechte der PatientInnen beschnitten und die Honorare für die Dienste gekürzt werden sollen. 500 MitarbeiterInnen von ambulanten Krankenpflegebetrieben protestierten daher vergangene Woche in Wandsbek vor den Filialen mehrerer Krankenkassen.
Maßnahmen wie die Gabe von Insulinspritzen für altersverwirrte DiabetikerInnen sollen nur noch in Ausnahmefällen für länger als vier Wochen bezahlt werden. Viele Pflegebedürftige fragen sich, wieviel sie demnächst aus eigener Tasche bezahlen müssen. „Wir bekommen täglich Anrufe von verzweifelten Menschen, die glauben, daß sie nicht mehr gepflegt werden dürfen“, sagt Geschäftsführer Knut Fleckenstein vom Arbeiter-Samariter-Bund.
Uwe Clasen vom Verband Ambulanter Krankenpflegedienste geht davon aus, daß die alte Regelung so lange gilt, bis eine neue Vereinbarung zustandegekommen ist, und sei es nach einem Entscheid des Sozialgerichts. 90 Prozent der rund 400 Pflegedienste in der Hansestadt lehnen den Vorschlag der Ersatzkassen ab. Clasen erwartet jetzt, daß die Gespräche „unverzüglich“wieder aufgenommen werden.
„Aus unserer Sicht sind die Verhandlungen gescheitert.“Reinhold Nehr vom Verband der Angestellten-Krankenkassen ist da ganz sicher. Nehr ist davon überzeugt, daß bei einer Preisabsenkung von drei bis vier Prozent kein Betrieb baden gehen müsse. Wie es aussieht, muß sich nun auch der Senat mit dem Hahnenkampf beschäftigen. Die Bürgerschaft hat einem Antrag der SPD zugestimmt, in dem der Senat aufgefordert wird, die Situation der Pflegebedürftigen unter die Lupe zu nehmen. Paula Roosen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen