■ Querspalte: Berlin: ein Jammertal
Tagtäglich, gar stündlich wird die Hauptstadt, die das „sogenannte“ von der DDR erbte, nervöser. Häßliche Identitätsräuber wollen der Stadt an den Kragen. Hier ein bißchen, da ein bißchen, werden Identitätsgrundlagen zerstört. 36, der edlere Teil Kreuzbergs, wurde im Zuge sogenannter Postleitzahlenreformbestrebungen vernichtet und heißt jetzt 10969 oder so; Kreuzberg überhaupt soll demnächst mit dem benachbarten Ost-Bezirk Friedrichshain zusammengelegt und -getreten werden. Dieter Kunzelmann hat sich mitterweile auch abgeschafft. Damit fiel die letzte Opposition gegen den frohlockenden Bürgermeister und seine miesen Schergen. Die sogenannten Klosprüche, die in den 80er Jahren gern in Büchern verewigt wurden, waren zwar schon damals hochdebil und bescheuert; noch peinlicher allerdings sind die Schultafeln mit Schwamm, die sich über den Pissoirs in Lokalen in Mitte nun immer mehr häufen.
So steht man als sogenannter Berliner plötzlich identitätsverloren und heimatlos in der Gegend rum und guckt gehetzt und auch hungrig, zumal es den traditionellen Berliner Leckereien auch gerade an den Kragen geht. Bratwurstbuden werden in touristisch relevanten Gegenden verboten, wobei daran gedacht wird, die gesamte Innenstadt zur Touristenzone zu erklären. Nun hat man auch noch Hundefutter in den Dönern aus der Produktion des Neuköllner(!) Fleischermeisters Paul O. entdeckt, wie Bild meldet, was sehr, sehr schlimm ist, da sogenannte Berliner im Jahr viel mehr Döner (100 Mio) als Currywürste (70 Mio) essen. Das verwendete „Seperatorenfleisch“, das an vierzig Dönerbuden ausgeliefert worden war, hätte man „nicht mal als Hundefutter verwenden können“, so Tierarzt Dr. Hans Georg B. Hundefutter steht übrigens auf dem üblichen Speiseplan der gewöhnlichen Berliner. Auch Pferdefleisch wird seit ein paar Monaten in der Moabiter Markthalle wieder preiswert angeboten. Da werden sich die feinen Herren aus Bonn noch wundern! Detlef Kuhlbrodt
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