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Peronist der Ustascha

Argentiniens Regierung fordert Haftbefehl gegen kroatischen Exkommandanten des KZ von Jasenovac  ■ Von Bernd Pickert

Berlin (taz) – Die argentinische Regierung hat die Justiz des Landes am Dienstag aufgefordert, Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Dinko Sakić zu erlassen. Der 76jährige Kroate, der inzwischen einen argentinischen Paß besitzt, war vor zwei Tagen von Fernsehjournalisten in der Küstenstadt Santa Teresita ausfindig gemacht worden.

Sakić war von 1942 bis 1944 Offizier der mit Nazideutschland verbündeten Ustascha-Armee. Im Alter von 21 Jahren leitete er als Kommandant das berüchtigte Konzentrationslager Jasenovac. Er soll die Verantwortung für die Ermordung Tausender Gefangener tragen, insbesondere Juden und Serben. Wie viele Menschen in Jasenovac umgebracht wurden, ist unklar. Der kroatische Präsident Franjo Tudjman geht von „mehr oder weniger 59.600“ Toten aus, Organisationen der Überlebenden von 500.000 bis 700.000.

In dem im argentinischen Fernsehen ausgestrahlten Interview bestritt Sakić die Vorwürfe: „In Jasenovac ist überhaupt nichts passiert. Es war ein Arbeitslager, in dem die Juden ihre eigene Verwaltung hatten. Wir haben uns nicht eingemischt und lediglich die innere Sicherheit aufrechterhalten. Wir haben niemals gegen irgendeinen Gefangenen Gewalt angewandt.“

Auf die Vorwürfe, die selbst in den Protokollen des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses bereits festgehalten sind, Jasenovac sei ein Vernichtungslager gewesen, erwiderte Sakić: „Die Leute starben eines natürlichen Todes.“

Inzwischen soll Sakić nach Buenos Aires gereist sein und in der kroatischen Botschaft Schutz gesucht haben. Das erklärte jedenfalls seine Ehefrau am Dienstag der argentinischen Nachrichtenagentur NA. Die kroatische Botschafterin Neda Rosamdić dementierte gestern, daß sich Sadić in der Vertretung aufhalte. Wo er sich befindet, ist nicht bekannt. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum forderte die rasche Umsetzung des Haftbefehles wegen Fluchtgefahr.

Daß Sakić in Argentinien lebt, war lange bekannt. In den letzten Kriegstagen war Ustascha-Führer Ante Pavelić mit einer Eskorte von 40 Mann unter Leitung Dinko Sakićs nach Tirol geflohen. Im Spätsommer 1947 gelang Pavelić, ausgestattet mit einem vom Roten Kreuz ausgestellten Paß, die Ausreise nach Argentinien. Drei Monate später folgte Dinko Sakić mit seiner Familie. Er hatte eines von 500 von der argentinischen Botschaft in Genf an Kroaten vergebenen Visa – zur Zeit der ersten Regentschaft des Generals Juan Domingo Perón waren deutsche Nazis und ihre Verbündeten in Argentinien willkommen. 1955 trat Sakić in die peronistische Partei ein.

Die ersten zehn Jahre in Argentinien verbrachte er in der Stadt Rosario und nahm die argentinische Staatsbürgerschaft an. Zwischen 1956 und 1959 lebte Sakić in Spanien, wo er zusammen mit dem ehemaligen Ustascha-General Luburić in der Führung des „Nationalen kroatischen Widerstandes“ arbeitete. 1959 kehrte er nach Argentinien zurück.

Im Sommer 1995 reiste Sakić, unter seinem richtigen Namen, nach Kroatien. Der Aufenthalt fand in der Presse Beachtung. Im britischen Unterhaus etwa forderte der Labour-Abgeordnete Michal Gapes, die kroatische Regierung unter Präsident Tudjman von den britischen Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Kriegsendes auszuschließen.

Tatsächlich soll sich Sakić bereits ein Jahr zuvor mit Tudjman getroffen haben, als der sich auf Staatsbesuch in Argentinien befand. Das jedenfalls behauptet Sakić selbst. Ob die kroatische oder die jugoslawische Regierung im Falle der Verhaftung Sakićs seine Auslieferung verlangen wollen, war zunächst nicht bekannt.

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