: Eine Blume für den Bürgermeister von Teheran
■ Irans Präsident appelliert an die Bevölkerung, nicht für ihn und das inhaftierte Stadtoberhaupt zu demonstrieren. Der Kampf um die Macht in der Islamischen Republik droht zu eskalieren
Berlin (taz) – Irans Präsident Mohammad Chatami versucht, zu versöhnen statt zu spalten. Eigentlich wollten sich heute vor der Teheraner Universität StudentInnen versammeln, aus Solidarität mit dem vergleichsweise moderaten Regierungschef und dessen Verbündeten Gholam Hossein Karbaschi, dem seit über einer Woche inhaftierten Bürgermeister der iranischen Hauptstadt. Doch am Sonntag bat Chatami seine Unterstützer, das Demonstrieren sein zu lassen. Der Appell diene der Aufrechterhaltung des sozialen Friedens berichtete das staatliche Fernsehen und zitierte Chatami: „Obwohl die Menschen das Recht haben, ihre Meinung zu äußern, bitten wir sie inständig, die geplante Demonstration abzusagen.“
Tatsächlich droht die Inhaftierung Karbaschis zum Testfall für die Machtverhältnisse in der Islamischen Republik zu werden. Offiziell soll der 45jährige wegen Korruption und „schlechter Amtsführung“ vor Gericht gestellt werden. Doch seine Anhänger sehen eine gezielte Kampagne der konservativen Theokraten zur Desavouierung des im vergangenen Jahr überraschend gewählten Präsidenten.
Weite Teile der Bevölkerung sehen das anscheinend genauso. Nach Angaben des in Paris ansässigen unabhängigen „Iran Press Service“ informierten hochrangige iranische Militärs den Religiösen Führer des Landes, Ali Chamenei, über die „Möglichkeit massiver, nicht zu kontrollierender Demonstrationen“ zu Gunsten des Präsidenten und des Bürgermeisters. Prognose: „Die Situation wäre sehr schwer zu kontrollieren.“
Um diesen Ernstfall zu verhindern, rief der zu den konservativen Gegenern Chatamis gehörende Chamenei die Spitzen der rivalisierenden Fraktionen zusammen. Regierungschef Chatami, dessen ehemaligen Gegenkandidaten und jetzigen Parlamentspräsidenten Ali Akbar Nateq Nuri, den sturzkonservativen Justizchef Mohammad Jasdi und den eher Chatami nahestehenden Ex-Präsidenten und jetzigen Vorsitzenden des gewichtigen Vermittlungsrates, Ali Akbar Haschemi Rafsandschani. Am Samstag berieten die vier Herren über Stunden im Büro des Parlamentspräsidenten. „Diese vier Offiziellen haben eine Art von Abschluß getroffen“, zitierte am Sonntag die Tehran Times eine „vertrauenswürdige Quelle“. Allerding sei es „nicht die rechte Zeit, exakt zu veröffentlichen, was sie beschlossen haben.“
Der Prozeß gegen Karbaschi würde öffentlich stattfinden, erklärte anschließend ein Justizsprecher und erfüllte damit zumindest eine der Forderungen der Anhäger des Bürgermeisters. Ob potentielle Pro-Karbaschi-Demonstranten damit zufrieden sind, ist fraglich. Denn wärend die Regierung den Inhaftierten weiter als in Amt und Würden betrachtet, kursieren in präsidentenfeindlichen Medien Namen diverser Nachfolger.
Einen Vorschlag, wie die iranische Bevölkerung doch zu Gunsten Chatamis und Karabaschis demonstrieren könne, ohne daß die Situation eskaliere, machte der renommierte Regisseur Mohsen Machmalbaf am Sonntag in der Zeitung Dschameah. Die BürgerInnen der Islamischen Republik sollten eine weiße Blume anstecken, als „Zeichen des Wunsches nach Frieden und Zivilität.“ Thomas Dreger
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