: Schuld war nur der Goldoni, Carlo
■ OL-Posse: Nach dem Rausschmiß des Oberspielleiters muß Gericht entscheiden
Den letzten Akt in der Posse um den Rausschmiß des Oldenburger Oberspielleiters Kai Festersen (36) wird das Bühnenschiedsgericht in Hamburg schreiben. Wie berichtet, hatte Generalintendant Stephan Mettin seinem Schauspiel-Chef am Ostersonnabend während einer Probe zu Goldonis „Diener zweier Herren“die fristlose Kündigung überreichen lassen. Festersen wollte das Theater auf eigenen Wunsch und gegen die Pläne Mettins nach nur zweijähriger Amtszeit am Ende der Spielzeit sowieso verlassen. Die am Dienstag von Festersens Hamburger Anwalt geforderte sofortige Rücknahme der Kündigung hat Mettin umgehend abgelehnt.
„Vertrauensbruch“gab Mettin ohne weitergehende Erklärung als Begründung an, nachdem er noch am Samstag abend die Medien mit einem dreizeiligen Fax informiert hatte. Am Anfang des Eklats haben Briefe gestanden, die der Intendant und sein Oberspielleiter in den letzten Monaten ausgetauscht hatten. Dabei ging es vordergründung um das angemessene Honorar für die von Festersen initiierte und mitredigierte neue Übersetzung des Stückes. Am Ende des Briefwechsels, über dessen Form und Inhalt die Kontrahenten sich weiterhin hartnäckig ausschweigen und der 27 Seiten umfassen soll, stand ein Vertrag, der ein Honorar in Höhe von 4.000 Mark für die Übersetzerin vorsah.
Als die Proben am Montag vor Ostern begannen, überraschte Festersen das Ensemble mit Fotokopien der Briefe und des Vertrags. Die Motive soll niemand verstanden haben. Festersen selbst hüllt sich – nach juristischer Beratung – über seine Beweggründe in Schweigen. Eine offizielle Entschuldigung Festersens am Ostersonntag hat Stephan Mettin nach eigenen Angaben nicht akzeptiert. Zu dem Zeitpunkt hofften der Regisseur und sein Anwalt noch auf eine „gütliche Einigung“. Am schwarzen Brett des Staatstheaters hing jedoch längst die Mitteilung des Chefs, daß David Gravenhorst ab sofort die Goldoni-Inszenierung übernimmt.
Der um seine Autorität besorgte Generalintendant fühlt sich doppelt gekränkt. Nicht nur die „Illoyalität“seines Oberspielleiters habe ihn getroffen, sondern auch, „daß keiner der Schauspieler es für nötig gehalten hat, mich sofort über den Vorgang zu informieren“.
Viereinhalb Probenwochen – an deutschen Theatern gelten sechs Wochen Probenzeit als Minimum – waren für den Festersen-Goldoni bis zur Premiere am 8. Mai vorgesehen. Ersatzregisseur David Gravenhorst bleiben dreieinhalb Wochen für seine am Mittwoch begonnenen Proben. „Vielleicht werden wir die Premiere ein paar Tage verschieben“, teilte Mettin dazu mit. Nach Angaben einer Theatersprecherin werde er für Festersen „nicht sofort“einen Nachfolger suchen.
Das Bühnenschiedsgericht, das im Theaterbereich die Funktion eines Arbeitsgerichts hat, wird darüber befinden, ob die fristlose Kündigung formal rechtens war. Dabei geht es dann nicht mehr um den Goldoni, sondern nur noch um Geld. Karin Güthlein (dpa)/ck
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