: Autonom ohne Atom
■ Einer Familie im Schwarzwald gelang der Abschied vom Atomstrom. Die Energie kommt nicht aus fernen Kraftwerken, sondern vom Dach
Ein Leben ohne Stromanschluß – geht das? „Niemals“, sagen viele Hausbesitzer. Gleichwohl: Wolfgang und Marita Mahler beweisen, daß es funktioniert. Seit 1993 leben sie mit ihren beiden Kindern in einem Energiesparhaus in Gütenbach im Schwarzwald. Im Nebenzimmer läuft ein Tonband, während die beiden Kinder, sechs und neun Jahre alt, vergnügt durchs Haus springen. „Die gehen ganz problemlos damit um“, sagt die Mutter der beiden. Die Kinder haben alles, was sie brauchen, und Steckdosen gibt es hier natürlich wie in jedem anderen Haus auch. Der Unterschied: Der Strom kommt nicht von fernen Kraftwerken, sondern vom Dach. „Wir sind gegen Atomenergie“, betont Ingenieur Wolfgang Mahler. „Und deshalb wollen wir auch keinen Atomstrom im Haus.“ Statt eines Elektroherdes schaffte man einen Gasherd an. Die Waschmaschine wird mit warmem Wasser vom Kachelofen oder Gasherd versorgt. Und beim Kühlschrank – in der Regel ein Energiefresser – wurde auf ein sehr sparsames Modell Wert gelegt. So kommt die vierköpfige Familie im Jahr mit 400 bis 500 Kilowattstunden Strom aus – ein Durchschnittshaushalt bringt es auf etwa 3.000. Acht Quadratmeter Solarzellen auf der Südseite des Hausdaches liefern den Mahlers elektrische Energie. Und weil die Sonne bekanntlich nicht immer scheint, dienen sechs Batterien auf dem Dachboden als Speicher. „Im Sommer haben wir Strom im Überfluß“, berichtet Wolfgang Mahler, „da können wir den Kaffee sogar mit der Maschine kochen.“ Die meisten Besitzer einer Solarstromanlage verfügen parallel dazu über einen Netzanschluß, doch den wollte der Familienvater nicht: „Wenn Strom in beliebiger Menge da ist, fördert das nicht das Energiesparen.“
Seit Sommer 1994 zieren außerdem zwei kleine Windräder mit jeweils 70 Watt Leistung das Hausdach der Familie. Eine ideale Ergänzung: Wenn im Herbst die Sonne wenig scheint, bläst oft der Wind und lädt die Batterien auf. Neben Solarzellen und Windrädern sind auf dem Dach auch Sonnenkollektoren angebracht, die für warmes Wasser sorgen. Ein Speicher mit 320 Litern Inhalt garantiert, daß auch nach trüben Tagen noch warmes Wasser für die Dusche da ist. Beheizt werden die Räume mit einem Kachelofen, der bei Bedarf ebenfalls Wasser erhitzt und außerdem zum Kochen dienlich ist.
„Wir haben anfangs viel Kritik einstecken müssen“, sagt der Ingenieur. Bekannte und Nachbarn hätten daran gezweifelt, daß seine Pläne realisierbar seien. Und auch mancher Handwerker habe versucht, ihn von der einen oder anderen Idee abzubringen. Sein Resümee: „Bei soviel Widerstand kann man sich leicht vorstellen, warum so wenige Bauherren standhaft bleiben.“ Doch Mahler, als Ingenieur vom Fach, hatte sich zuvor genauestens informiert, was machbar ist. Einen großen Teil der Arbeit hat er in dreijähriger Bauzeit ohnehin selbst gemacht: Wände gemauert, das Dach gezimmert, Böden gelegt, Leitungen installiert. Inzwischen wurde sein Hobby „Solarenergie“ zum Beruf: Mahler arbeitet in der neuen Freiburger Solarfabrik.
Nach nunmehr vier Jahren ohne Netzstrom hat der Hauseigentümer Bilanz gezogen und berechnet, wieviel Energie die Familie im Jahr spart. „Wir brauchen nur ein Drittel dessen, was ein Durchschnittshaushalt verheizt“, sagt er. Teuer war der Hausbau dennoch nicht: „Unser Haus hat nicht mehr gekostet als ein klassisches Einfamilienhaus“, sagt der Ingenieur. Seiner Meinung nach wissen Bauherren und Architekten „einfach nicht, was man alles machen kann, wenn man nur will“. Wolfgang Mahler: „Eigentlich müßten wir mal alle Interessenten zu einem Tag der offenen Tür einladen.“ Bernward Janzing
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