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Weg von „Bunte“

Die Mutter allen Frauenfernsehens hat Erfolg mit eher ernsten Themen. Am Sonntag wird „Mona Lisa“ 10 Jahre alt  ■ Von Petra Welzel

Gegen Mutter Beimer ist einfach kein Kraut gewachsen. Immer um 18.40 Uhr kam der Knick in der Einschaltquote, die ZuschauerInnen von „Mona Lisa“ zappten rüber aufs Erste. Schließlich werden ja auch in der „Lindenstraße“ all die kleinen und großen Nöte von jungen Mädchen und Frauen verhandelt: ungewollte Schwangerschaft, Ausbildungsprobleme, Beziehungsstreß, Trennung, Drogen, Wechseljahre, Arbeitslosigkeit, Diskriminierung von Ausländerinnen, Liebe im Alter und Tod.

Und weil das so ist, haben die Frauen des ZDF-Frauenmagazins am letzten Internationalen Frauentag vor ihrem 10. Geburtstag am Sonntag den Kampf um die Quote aufgegeben, haben ihren Beginn um eine Viertelstunde vorverlegt und sich um 13 Minuten kürzen lassen. Und das alles, damit ihr Magazin nun vor der Soap endet und die im Durchschnitt 2,2 Millionen ZuschauerInnen bis zur letzten Minute dabeibleiben.

„Die ,Lindenstraße‘ ist einfach Kult“, sagt Conny Hermann, die nach dem Ausscheiden von Maria von Welser im letzten Jahr die redaktionelle Leitung bei „Mona Lisa“ übernommen hat und seitdem Deutschlands ältestes und viele Jahre einziges frauenpolitisches TV-Magazin gemeinsam mit Petra Gerster moderiert.

Angefangen hatte es am 17. April 1988 mit einer Sendung, nach der die reine Frauenredaktion zunächst niederschmetternde Kritik einstecken mußte. Im Grunde hätte man damals nichts anderes produziert wie „Brigitte TV“ seit wenigen Wochen bei der ARD. „,Brigitte TV‘ ist das, was ,Mona Lisa‘ am Anfang war, eine Zeitschrift im Fernsehen“, erläutert Conny Hermann. Vor zehn Jahren hatte „Mona Lisa“ auch noch einen Vertrag mit der Bunte und sollte deren Klatschkonzept im Fernsehen widerspiegeln.

Die Rechnung ging nicht auf, wie die Reaktionen zeigten, und Maria von Welser löste den Vertrag deshalb schnell. Seither produziert das 22köpfige Redaktionsteam jede Woche ein engagiertes Magazin, das sich jeweils mit einem Schwerpunktthema durch Fallbeispiele und Expertengespräche dem Alltag und den sozialen Brennpunkten von Frauen widmet. Genau hier unterscheidet sich „Mona Lisa“ deutlich von „Brigitte TV“: „Wir machen Hintergrund, ,Brigitte‘ ist vordergründig“, winkt Conny Hermann ab.

Die Themen, denen sich die Sendung widmete, heben sich ab: die Diskussion um den Paragraphen 218, Kinderpornographie, Vergewaltigung, die beste Freundin, mörderische Mode, neue weibliche Armut, die Aktion „Frauen, wählt Frauen“ im Wahlkampf 1994, die Verweiblichung der Erde durch Hormonbelastungen von Wasser und Nahrung. Schon im ersten Jahr ein Bericht über Sextourismus in Seoul. Die „Mona Lisas“ haken und helfen nach, Themen ins Fernsehen zu bringen, die in den übrigen politischen Magazinen oft nur am Rande Erwähnung finden.

Und sie haben Zeichen gesetzt. Als im November 1992 bei „Mona Lisa“ erstmals bosnische Frauen im TV von ihren traumatischen Kriegserlebnissen berichten, ist die deutsche Öffentlichkeit aufgewacht. Der Stern zieht mit einer Reportage nach, und Monika Hauser, eine junge Gynäkologin, macht sich allein auf den Weg nach Zenica, um den Frauen vor Ort zu helfen. Auf einem Spendenkonto kamen 1,5 Millionen Mark für die Frauen in Bosnien zusammen. Monika Hauser gründet ihr Frauentherapiezentrum Medica, und endlich werden die ersten Kriegsverbrecher wegen Vergwaltigung in Den Haag angeklagt.

Längst zählt „Mona Lisa“ daher zu den ernstzunehmenden Politmagazinen in der TV-Landschaft. Neben 61 Prozent Frauen sehen 39 Prozent Männer „Mona Lisa“. Was für Männer das sind? „Keine Ahnung“, sagt Conny Hermann. Über die Frauen besteht hingegen ein genaueres Bild. Es ist die Frau ab 40 mit einer qualifizierten Ausbildung und einem ziemlich gut bezahlten Job.

Nach zehn Jahren hat „Mona Lisa“ Schule gemacht und schon vor „Brigitte TV“ in den ARD- Dritten „Frau TV“ (WDR), „ungeschminkt“ (ORB) und „Frauensache“ (BR) nach sich gezogen. Magazine, die der Mutter aller Frauensendungen in ihrem sozial- und frauenpolitischen Anspruch „seelenverwandt“ sind, wie es Conny Hermann sagt. Und obwohl „Mona Lisa“ sich mit durchschnittlich 10,21 Prozent Marktanteil einen gewichtigen Platz gesichert hat und damit die Berechtigung und Bedeutung von Fernsehen für Frauen bestätigt, wird sich an einem Punkt wohl nichts ändern: Mit „Mona Lisa“ wartet frau und man auf die „Lindenstraße“.

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