: Unionisten segnen Abkommen ab
Mit deutlicher Mehrheit nimmt die Trimble-Partei das Belfaster Dokument an. Parteiinterne Gegner sind enttäuscht. Sinn Féin vertagt die Entscheidung ■ Aus Dublin Ralf Sotschek
„Gut gemacht, David“, gratulierte Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams dem Unionistenchef David Trimble am vergangenen Samstag. Der Unionistische Rat, das höchste Parteigremium, hatte das Belfaster Abkommen vom Karfreitag, das Nordirland endlich Frieden bringen soll, mit 72 Prozent der Stimmen abgesegnet. Es war schon merkwürdig, was sich vor dem Europa-Hotel, wo die Unionisten tagten, abspielte: Anhänger des extremen Protestantenpfarrers Ian Paisley, der gegen das Abkommen ist, schmähten Trimble als Verräter, während Loyalisten, die paramilitärische Organisationen vertreten, ihm zu Hilfe eilten. Die Polizei mußte beide Gruppen trennen.
Der deutliche Erfolg – Trimble selbst hatte 70 Prozent als Minimum bezeichnet, um weitermachen zu können – hat bei seinen parteiinternen Gegnern „bittere Enttäuschung“ ausgelöst, wie der Unterhausabgeordnete Willie Ross zugab. Vier weitere Abgeordnete, insgesamt die Hälfte der Fraktion, haben sich gegen Trimble gestellt und nicht ausgeschlossen, bei Paisleys Kampagne gegen das Abkommen mitzumachen. Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen die geplanten gesamtirischen Institutionen und gegen die Zusage, sämtliche politischen Gefangenen innerhalb einer Frist von zwei Jahren freizulassen.
Die Kampagne erscheint jedoch aussichtslos. Umfragen haben ergeben, daß sowohl in Nordirland als auch in der Republik eine klare Mehrheit am 22. Mai für das Abkommen stimmen wird. Bei den darauffolgenden Wahlen für die nordirische Versammlung im Juni wollen die Dissidenten eigene Kandidaten aufstellen, um das Abkommen durch die Hintertür zu sabotieren.
Sinn Féin hat eine Entscheidung über das Abkommen dagegen vertagt. Man will sich innerhalb der nächsten vier Wochen nochmal treffen, um darüber zu beraten. Was Adams und der Parteivorstand wollen, verriet nicht nur seine Gratulation an Trimble, sondern auch die Reden der Ehrengäste, darunter der Friedensnobelpreisträger José Ramos Horta aus Ost-Timor. Er pries „alle Parteien für die Beendigung des Kreises der Gewalt und Zerstörung“, die in Nordirland 30 Jahre lang geherrscht hätten.
Adams wies in seiner Rede immer wieder darauf hin, daß das Abkommen lediglich ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem vereinigten Irland sei. „Die Gespräche haben das Problem der britischen Einmischung in Irland nicht lösen können“, sagte Adams, fügte aber hinzu, daß die Regierung in London noch eine positive Rolle spielen könne, bevor sie aus Irland verschwindet. Diese Rolle bestehe darin, daß die Regierung die Bedingungen für einen friedlichen Übergang zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung schaffe.
Am Samstag war es auf den Tag genau 82 Jahre her, daß die Rebellen in Dublin den Osteraufstand anzettelten. Man hatte damals das Datum deshalb gewählt, weil der britische Adel und die hochrangigen Offiziere gerade beim Pferderennen der Royal Dublin Society waren. Deren Gelände in einem der vornehmeren Teile der irischen Hauptstadt sind ein Symbol für die britische Herrschaft in Irland. Am Wochenende tagte nun Sinn Féin zum ersten Mal in diesen Räumen.
Für Diskussionen über das Abkommen war jedoch nicht viel Zeit. Umfragen unter den rund tausend Delegierten ergaben jedoch, daß eine Mehrheit von ihnen gegen das Abkommen sind. Zwar ist Sinn Féins Zustimmung nicht notwendig, da mit den Sozialdemokraten bereits eine Mehrheit auf katholischer Seite dafür ist, doch um ihre Sitze im nordirischen Parlament einnehmen zu können, müßte Sinn Féin die Parteisatzung mit einer Zweidrittelmehrheit ändern.
Das scheint zur Zeit nicht möglich zu sein. „Wenn man uns das Abkommen vor Beginn der Verhandlungen gezeigt hätte“, sagte Matt Mac Cartaigh von der Sinn- Féin-Jugendorganisation zur taz, „hätten wir gesagt, vergiß diese Farce.“
Adams und sein Stellvertreter Martin McGuinness hatten sich dagegen alle Mühe gegeben, die positiven Seiten des Abkommens gebührend herauszustellen. Doch Szenenapplaus erhielt Adams nur, als er die IRA erwähnte: Die Organisation sei „stark, unbesiegt und unbesiegbar“. Daß es aber keine Rückkehr zum bewaffneten Kampf geben kann, wissen aber auch die Dissidenten, die am Wochenende zu Wort kamen, nur zu gut.
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