: James Earl Ray nimmt die Wahrheit mit ins Grab
■ Bis zuletzt beteuerte Martin Luther Kings angeblicher Mörder seine Unschuld, viermal brach er aus dem Gefängnis aus – jetzt starb er in der Haft. Für Kings Witwe ist sein Tod eine Tragödie
Nashville (AFP/epd) – Die letzten 30 Jahre seines Lebens hatte James Earl Ray im Gefängnis zugebracht. Am Donnerstag starb der mutmaßliche Mörder des US- amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King in Nashville (Tennessee) im Alter von 70 Jahren an Leber- und Nierenversagen.
Es sei eine „Tragödie“, daß Ray ohne eine Wiederaufnahme des Prozesses gestorben sei, erklärte die Witwe des ermordeten Friedensnobelpreisträgers, Coretta Scott King, gegenüber Journalisten. Die King-Familie hält Ray seit einiger Zeit für unschuldig. US-Justizministerin Janet Reno gab Anfang April nach einem Gespräch mit der Witwe Kings bekannt, sie wolle prüfen, ob der Fall neu untersucht werden müsse.
Fest steht, daß sich Ray am 4. April 1968 in Memphis aufhielt, als Martin Luther King die tödliche Kugel traf. Wegen diverser Einbrüche war Ray schon 1959 zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. 1967 brach er aus dem Gefängnis aus und versteckte sich in Kanada, Mexiko und Kalifornien. Nach dem Mord an Martin Luther King fand die Polizei in der Nähe des Tatorts ein Gewehr mit Rays Fingerabdrücken. Ray setzte sich nach Kanada ab, verschaffte sich dort einen falschen Paß und reiste über Portugal nach Großbritannien. In London wurde er zwei Monate nach dem Attentat verhaftet. Er legte ein Geständnis ab und wurde zu 99 Jahren Haft verurteilt.
Kurz darauf argumentierte Ray, er habe nur deswegen auf „schuldig“ plädiert, um dem elektrischen Stuhl zu entgehen. Der Widerruf seines Geständnisses wurde zum Beginn eines langen, erfolglosen Kampfes um die Wiederaufnahme des Verfahrens. Ein Waffen- und Drogenhändler namens Raoul habe ihn als Sündenbock benutzt. „Ich habe nichts mit dem Tod Ihres Vaters zu tun“, sagte Ray noch vor einem Jahr zu Kings Sohn Dexter, der ihn im Gefängnis besuchte. „Nein, ich habe es nicht getan.“
Viermal brach Ray aus der Haft aus. Anträge auf Freilassung auf Bewährung wurden abgewiesen. Die Frau, die er im Gefängnis heiratete, verlangte 13 Jahre später die Scheidung – und einen Anteil an den Tantiemen für sein Buch mit dem Titel „Wer tötete Martin Luther King?“.
Die Diskussion über die Hintergründe des Mordes und Rays Schuld wird auch nach seinem Tod anhalten. Theorien von einer Mordverschwörung der Regierung ließen sich noch nicht erhärten. Inmitten der Rassenauseinandersetzungen der 60er Jahre glaubte kaum jemand, daß die Tat das Werk eines einzelnen war. Vergeblich verlangte Ray achtmal einen neuen Prozeß. Die Wahrheit über seine Verwicklung in den Mord nahm er jetzt mit ins Grab.
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