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Schlagstöcke zum Tag der Arbeit

■ Veranstalter der revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen bemängeln "provokativen Polizeieinsatz": Mindestens 21 Festnahmen. Verwaltungsgericht hatte Demo-Auflagen zuvor aufgehoben. Die Straßenfeste verliefen

Bei der ersten „revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ ist es gestern nachmittag kurz nach dem Beginn der Veranstaltung zu Rangeleien zwischen der Polizei und einigen Teilnehmern der Kundgebung gekommen. Nach dem Start am Oranienplatz stoppte die Polizei in Höhe des Spreewaldbades den Demonstrationszug und griff unter Schlagstockeinsatz Mitglieder der autonomen Szene und linker Gruppen aus der Menge heraus.

Nach Angaben der Veranstalter und von Augenzeugen hatte es vor dem „provokativen Polizeieinsatz keine Ausschreitungen“ gegeben. Die Polizei habe ohne Grund Personen angegriffen, sie zu Boden geworfen und abtransportiert. Zudem seien Fotografen bei ihrer Arbeit behindert worden.

Ein Polizeisprecher teilte dagegen mit, daß zuvor Flaschen auf die Beamten geworfen worden seien. Elf Männer und zwei Frauen wurden bei dem Einsatz festgenommen. Der Aufzug konnte danach bis zum Kottbusser Tor fortgesetzt werden. Die rund 2.000 Teilnehmer der Demonstration „gegen Ausbeutung und Unterdrückung“ wurden von einem unverhältnismäßig großen Polizeiaufgebot zum Teil im Spalier begleitet.

Zusätzlich demonstrierten die Beamten ihre massive Präsenz, indem sie Wasserwerfer und Räumfahrzeuge entlang dem Kundgebungsweg auffahren ließen. Im Vorfeld hatte Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) angekündigt, die Polizei werde keine Gewalt dulden. Die Richtigkeit dieser Linie, erklärte der Sprecher des Innensenators, Thomas Rabe, gestern, habe sich bestätigt. Die bis dato wenigen Vorkommnisse zeigten, daß die Strategie berechtigt gewesen sei.

„Macht Wahn Sinn?“ fragte derweil das Transparent vom Dach der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, während unten die Mannschaftstransporter der Polizei dicht an dicht bis zur Münzstraße standen. Auf der Wiese vor dem Theater gammelten, redeten, tranken 2.000 BesucherInnen dem Beginn der zweiten revolutionären Demonstration entgegen. Diese hatte sich bis Redaktionsschluß noch nicht in Bewegung gesetzt. Die Polizei nahm bei Vorkontrollen acht Personen wegen angeblicher Beleidigung und Waffenbesitzes fest. Die Stimmung beim vorangegangen Fest der Obdachlosenzeitung Straßenfeger war zunächst entspannt gewesen. Die Band Rockhaus machte sich lautstarke und scherbenmäßige Gedanken über den Stand der menschlichen Beziehungen, und in den Umbaupausen fragten diskutierende Obdachlose in die Mikrofone, warum es denn noch keine starke Bewegung der Aussortierten gebe.

Das Verwaltungsgericht hatte am Vorabend sämtliche Auflagen der Polizei für null und nichtig erklärt. Weder in Kreuzberg noch in Mitte mußten die DemonstrantInnen zwischen einzelnen Marschblöcken 50 Meter Abstand einhalten. Der Kollwitzplatz blieb jedoch gesperrt, so daß die Demonstration zum Sennefelder Platz ziehen sollte.

Überwiegend junges Publikum war vormittags zum Straßenfest auf dem Humannplatz in Prenzlauer Berg gekommen. Mit dem Slogan „Widerspenstig und lebendig“ hatten verschiedene Gruppen ab zwölf Uhr zum „Diskutieren und Feiern“ eingeladen.

An den rund dreißig Ständen des gutbesuchten Festes gab es kurdische Solibuletten, Bücher, Grillfleisch und Zeitungen. Mit Infoständen waren unter anderem die PDS, das Bündnis Arbeitslosenprotest, die DKP und antifaschistische Gruppen dabei. Vor großen Transparenten mit Marx- Zitaten buddelten Kinder im Sand.

Das Fest verlief bis zum Abend friedlich. Die Polizei war mit nur einem Einsatzwagen vor Ort. Im letzten Jahr hatte es um Mitternacht an der gleichen Stelle Kämpfe zwischen Polizei und Jugendlichen gegeben.

Rund 1.500 Leute feierten auf dem Mariannenplatz das traditionelle 1.-Mai-Fest. Festtagsstimmung kam nicht nur wegen des schönen Wetters auf, sondern auch durch die angebotenen kulinarischen Genüsse und die multikulturellen Klänge von Musikgruppen. ga, rola, cd, koch

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