: Für ein Heldenleben lebte er zu lange
Eldridge Cleaver, legendärer Mitbegründer der Black Panther in den USA, ist 30 Jahre nach seinem Verschwinden aus der Öffentlichkeit gestorben. Seine Karriere illustriert die Degeneration einer Generation ■ Aus Washington Peter Tautfest
„Eldridge Cleaver starb in jenem Haus in der 28. Straße gemeinsam mit Little Bobby. Uns bleibt nichts als Gewalt... Und ich rufe dem rassistischen Amerika zu: Wenn auch die letzte Stimme Andersdenkender durch Gewalt, Gerichte, Gaskammern und Geld zum Schweigen gebracht worden ist, dann wisse: Solange der Geist von Eldridge Cleaver auf Erden wandelt, hast du immer einen Feind in deiner Mitte!“
Fast auf den Tag genau dreißig Jahre nach diesem symbolischen Tod ist Eldridge Cleaver, der Informationsminister der Black Panther, nun am 1. Mai in Pomona, Kalifornien, wirklich gestorben. Die eingangs zitierten, am 19. April 1968 von Eldridge Cleaver geschriebenen Zeilen geben eine Schießerei wieder, die sich vierzehn Tage vorher nachts in Oakland ereignet hatte. Cleaver war mit mehreren Black Panthern, darunter dem 17jährigen Bobby Hutton, nachts von 48 Polizisten angegriffen worden. Die beiden versteckten sich in einem Keller und erwiderten das Feuer. Umstellt und mit Tränengas beschossen, entschloß sich Eldridge Cleaver zur Aufgabe. Er zog sich splitternackt aus, entstieg dem Keller – und überlebte. Bobby Hutton kam in voller Panther-Montur heraus – und wurde erschossen.
Die Entwicklung Eldridge Cleavers, 1936 in Arkansas geboren und in Los Angeles aufgewachsen, war die eines Kleinkriminellen aus dem Schwarzenghetto. Fahrraddiebstahl, Drogenhandel, Raub und Vergewaltigung – zwölf Jahre seines Lebens verbrachte er hinter Gittern. Das Gefängnis wurde seine Universität. Er las Marx, Lenin, Thomas Paine und vor allem Frantz Fanons „Verdammte dieser Erde“, dessen Theorie der unterdrückten Menschlichkeit des Kolonisierten er für die Ghettos übernahm. Nach seiner Auffassung waren die schwarzen Stadtteile der USA Binnenkolonien, die sich nur in einem nationalen Befreiungskampf befreien konnten.
Im Gefängnis begann Eldridge Cleaver zu schreiben. Im Gefängnis entstand sein 1968 veröffentlichtes Buch „Soul on Ice“. Darin erklärt er unter anderem, wie er die Vergewaltigung erst schwarzer und dann weißer Frauen erst als Übung und dann als Übergriff auf die geheiligten Güter des weißen Mannes betrachtete.
Vorzeitig auf Bewährung entlassen, schloß Cleaver sich Bobby Seal und Huey Newton an, mit denen er die Black Panther Party gründete. Sie organisierte Suppenküchen, Nachmittagsschulen für schwarze Kinder und den bewaffneten Kampf. Der damalige FBI- Direktor J. Edgar Hoover erklärte die Black Panther zur „größten Gefahr für die innere Sicherheit Amerikas“ und mobilisierte seinen ganzen Apparat gegen eine kleine Gruppe, der man auch bei viel Wohlwollen bestenfalls den Status einer Gang mit Programm bescheinigen kann. Zu ihren besten Zeiten vor der Zerschlagung 1968 hatten die Black Panther etwa zweitausend Mitglieder – weniger als schwarze Jugendgangs in L.A. und Chicago wie die „P Blackstones“ oder die „Bloods“ und „Crips“, die zudem besser bewaffnet waren. Die Black Panther faszinierten dennoch Amerikas Intellektuelle.
Nach der Schießerei von Oakland hätte Eldridge Cleaver, der ja auf Bewährung frei war, eigentlich wieder ins Gefängnis zurückgemußt. Doch er floh erst nach Kuba und dann nach Algerien, wo er eine Staatsvilla bewohnte. Nach ideologischen Auseinandersetzungen aus seiner Partei ausgeschlossen, wandte er sich dem Christentum zu. Vom Sozialismus in Kuba und Algerien ernüchtert, schrieb Cleaver 1978 das Buch „Soul on Fire“, worin er das amerikanische System als das freieste der Welt darstellte. Er kehrte in die USA zurück, wurde Republikaner, Modedesigner, Baumchirurg und Verkäufer tönerner Pflanzentöpfe, kandidierte erfolglos für den Senat, verfiel dem Alkohol und den Drogen. Bei einem Drogendeal wurde er 1994 so schwer verletzt, daß er sich einer Hirnoperation unterziehen mußte. Woran Cleaver jetzt starb, wurde nicht bekannt.
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