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Sepp Maier aus Afrika

■ Der ehemalige ghanaische Nationaltorhüter Essel-Mensah hat in Wahlstedt eine neue Heimat gefunden

Der Ghanaer Anthony Yeboah ist jedem Fußballfan ein Begriff. Essel-Mensah ist auch jedem Fußballer ein Begriff – zumindest im Kreis Segeberg: Er ist Torwarttrainer des Kreisligisten SV Wahlstedt und des Landesligisten Eintracht Segeberg. Er ist, wie der Stürmer des HSV, Ashanti, Angehöriger eines Stammes, der als besonders selbstbewußt gilt und einst mutig gegen die Kolonialmacht England kämpfte. Lange Jahre spielte er bei „Kotoko Kumasi“ und gewann mehrmals den begehrten Afrika-Cup für Vereinsmannschaften.

„Wir waren der beste Club Afrikas“, erinnert sich Essel-Mensah an die erfolgreiche Fußballzeit in seinem Mutterland in Westafrika. Im Nationalstadion von Accra, der Hauptstadt Ghanas, feierte The Black Cat, wie Essel-Mensah seinerzeit gerufen wurde, seinen größten Triumph. Mit der Nationalmannschaft spielte er dort gegen Kamerun und qualifizierte sich mit einem 3:0 für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München. „Die Leute haben damals ihr letztes Geld für Eintrittskarten ausgegeben und feierten mehrere Tage die Qualifikation“, berichtet der 80fache Nationaltorwart stolz. Fußball sei in Ghana eine eigene Religion. Häufig träumen jugendliche Ghanaer von einer Karriere als Fußballprofi, denn dies sei die Personifizierung ihres Traums von Anerkennung und Wohlstand. „Das war vor 25 Jahren und ist auch heute noch so“, macht der Sepp Maier aus Ghana, wie Mensah sich selber nennt, die große Bedeutung seines Sports in Ghana deutlich.

Wenngleich in München alle Begegnungen verlorengingen, „war es das Größte, dabeigewesen zu sein“, hat der nun 53jährige den olympischen Gedanken immer noch verinnerlicht. Und für ihn ganz wichtig: „Ich war vor Beckenbauer bei einem großen Turnier in München.“ Der Kaiser sorgte bekanntlich erst zwei Jahre später mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft im Olympiastadion für Furore.

Es sollte jedoch nicht Essels letzte Reise nach Deutschland bleiben: 1979 entschloß er sich, zusammen mit seiner Frau Monica für immer nach Mitteleuropa zu kommen, um sein „zweites Leben“ zu beginnen. Anfangs habe er große Probleme gehabt, sich im kalten Deutschland und im xenophoben Alltag zu acklimatisieren. Oft sei er seither nach seiner Herkunft gefragt worden. Mittlerweile sei er es jedoch satt, sich stets rechtfertigen zu müssen. Lästigen Fragern begegnet Essel daher nicht selten mit vorgehaltenem deutschen Personalausweis.

„Deutschland ist jetzt mein zu Hause“, fühlt er sich in diesem Land wohl und inzwischen zu sehr als Europäer, um noch in Ghana verwurzelt zu sein. Einzig der landestypische Schmuck im Wohnzimmer und die Vorliebe für afrikanische Musik lassen ihn hin und wieder an seine Heimat denken. Da der Fußball schon immer den Mittelpunkt seines Lebens bildete, sieht er sich vielmehr als „Sportler der Welt“, denn „der Sport verbindet über Landesgrenzen hinaus“. In der Tat vermittelt Essel-Mensah eine ungewohnte Frische und Freude an seinem Hobby, so daß ihm auf nahezu sämtlichen Bolzplätzen im Kreis Segeberg mit großer Sympathie begegnet wird. Auch rassistische Äußerungen gegen ihn seien dort zum Glück schon seit längerer Zeit nicht mehr vorgekommen. „Für viele bin ich einfach Essel“, freut er sich über jeden, der ihn kennt. Nicht zuletzt durch den Fußball schloß er, trotz anfänglicher Sprachbarrieren, auch in seiner neuen Heimat viele Freundschaften.

Horst Gaethje, Coach des Landesligisten Eintracht Segeberg, weiß, was er an seinem Torwarttrainer hat: „Durch seine immense Erfahrung kann er unseren Keepern alles beibringen. Er macht hervorragende Arbeit und ist ein echter Kumpel.“ Essel macht einen zufriedenen Eindruck, „obwohl“, wie er verrät, „ich nicht viel Geld habe“. Sein Glück und die Hauptsache sei, daß es seiner Familie gut gehe. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen Nana-Essel-Mensah, 4 Jahre alt, und Nana-Kwasi-Essel-Mensah-Junior, 3 Monate jung, lebt er in einer kleinen Wahlstedter Hochhauswohnung. Arbeit hat er bei einem städtischen Industrieunternehmen gefunden.

Sein älterer Sohn Nana-Essel-Mensah wächst zweisprachig auf und wird bald in die Schule kommen. Er weiß aber natürlich jetzt schon, was er später einmal werden will: „Wie mein Daddy der beste Torwart der Welt.“ Oliver Lück

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