: Im Äther wird der baldige Uffstieg verhandelt
■ „Oh, es werde Lischt“: Nirgendwo sonst erfährt der Eintracht-Fan so detailgetreu, wohin der Ball in Frankfurt rollt und woher er gerollt kam, wie beim unabhängigen Fanradio „Fanomänia“
Frankfurt/Main (taz) – „Was sind wir heute? – Tabellenführer!“ ruft es aus dem Radio. Was ist heute für ein Tag? Und wie spät ist es? Das sind zwei Fragen, die beim Erschallen dieser Worte beantwortet sind. Es ist Dienstag, 19 Uhr, und auf dem nichtkommerziellen Frankfurter Lokalsender RadioX sind die Eintracht-Fans mit „Fanomänia“ dran.
„Oh, es werde Lischt“, raunt es da schon einmal unvermittelt durch die Sendung, wenn der verspätete Studiogast Ralf Weber, seines Zeichens Kapitän der Fußballer von Eintracht Frankfurt, live ins Studio stolpert. Zwischen dem Sendeplatz für die finnische Minderheit, Stadtteilradio und DJ- Nächten haben die Anhänger der Eintracht im Programmradio längst ihren festen Sendeplatz. Für im Hessischen weniger Geübte kommt es ab und an zu gewissen dialektal bedingten Verständnisschwierigkeiten, auch läßt sich nicht gänzlich ausschließen, daß sich die Moderatoren zeitweilig in einigen rhetorischen Holprigkeiten ergehen. Doch Fanomänia weiß dies alles durch eine betonte Direktheit und eine gehörige Portion Herzblut mehr als zu kompensieren. Wohin die Bälle am Frankfurter Riederwald von wem getreten rollen, erfährt man nirgendwo sonst detailgetreuer.
Auch die Rubrik Anekdötchen findet fein aufbereitet ihren festen Platz. „Denkst du noch manchmal an Rostock zurück?“ wird Ralf Weber gefragt. In der Nostalgiekiste ist die jüngere Vergangenheit ein Muß: Als der Eintracht beim letzten Spiel in Rostock 1992 nach einem 200prozentigen Foul an Weber der Elfmeter verwehrt und die Meisterschaft gestohlen wurde, „als wir spielerisch die beste Mannschaft in Deutschland waren“, darüber könnte sich Weber heute noch aufregen.
Doch nicht nur Spieler sind zu Gast. So darf der ehemalige Zeugwart Anton „Toni“ Hübler verkünden, daß er seinen einstigen Schützlingen mittlerweile vergeben hat. Während seines jahrzehntelangen Engagements waren es regelmäßig die Neuen vom Club aus Nürnberg, die sich nicht an die von ihm eingeführte Ordnung hielten. Lange mußte Dieter Eckstein pädagogisiert werden, bis er Trikots, Schuhe und Stutzen in die vorgesehenen Behälter räumte. Später hatte Hübler mit Andreas Köpke und Jörn Andersen noch einmal das gleiche Dilemma.
Gelegentlich wird der Bogen noch weiter in die glorreiche Vergangenheit gespannt. Präsidenten und Trainer hätten immer viel auf seine Meinung gegeben, erzählt der alte Adler-Zeugwart stolz. Bei Auswärtsfahrten residierte Hübler in der Suite neben Coach Branco Zebec. Nicht zuletzt, damit der dem Hochprozentigen gerne zusprechende Fußball-Lehrer auch Zugang zu dessen Minibar hatte.
Wichtiges erfährt man bei Fanomänia – „Fußballer haben die Angewohnheit, einfach ein i hinten dran zu hängen, darum bin ich der Webi“ – und sehr Wichtiges: „Ich bin aus der Kirche ausgetreten.“ Nicht ohne Reiz ist das alphabetische Frage-und-Antwort-Spiel. Bei O ist der obligatorische Giftpfeil gegen den Erzrivalen Kickers Offenbach untergebracht, und bei U kann es ohnehin nur ein Stichwort geben – „U wie Uffstieg“.
Während sich in den benachbarten Programmplätzen bei RadioX der akademische Nachwuchs in Befreiungsrhetorik übt, findet sich bei Fanomänia so manche geschlechtsspezifische Zuschreibung längst aufgelöst. Und mit pragmatischer Unkompliziertheit wurde auch dem Eintracht-Geschäftsführer Gaetano Patella schon einiges an Unterstützung für Antirassismusprojekte abgeschwatzt oder gegenüber der Polizei weniger Disziplinierung und Kontrolle im Stadion eingefordert – alles live auf Sendung, versteht sich. Lediglich die Musik kommt meist etwas altbacken daher. Ehrlicher Rock 'n' Roll und italienische Schnulzen werden nur selten von wenig originelleren Fußballsongs abgelöst. Doch Fanomänia hat eben sein eigenes, wunderschönes Profil: „Wir sind ein unabhängiges Fanradio“, meint Moderator Stefan kämpferisch, „wir lassen uns da von niemandem Vorschriften machen, auch nicht von unserem Fansprecher.“ Klaus Teichmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen