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■ Verfassungsgericht kippt Ökosteuern von Ländern und KommunenStörfeuer für Rot-Grün

Dieses Signal dürfte im Wahlkampf vielen gefallen: Das Bundesverfassungsgericht erklärt Ökosteuern von Kommunen und Ländern für „nichtig“. Sicher wird versucht werden, mit diesem Urteil auch in der Debatte um eine bundesweite Energiesteuer Stimmung zu machen. Das ist allerdings nicht gerechtfertigt, denn in der Sache haben die gestrigen Urteile auf die Bundespolitik kaum Auswirkungen. Schließlich hat sich Karlsruhe nicht generell gegen Ökosteuern ausgesprochen. Es hat nur Ländern und Kommunen verboten, mit Mitteln des Steuerrechts die vermeintlich zu lasche Abfallpolitik des Bundes zu korri-

gieren.

Nun ist es auf den ersten Blick durchaus einsichtig, daß die Rechtsordnung Widersprüche vermeiden soll, daß also nicht auf Landes- oder Stadtebene ganz andere Signale als auf Bundesebene gegeben werden. Allerdings wird der eh nur noch rudimentär vorhandene deutsche Föderalismus dabei weiter beschnitten. Auf die Möglichkeit, zu experimentieren und verschiedene Lösungen vergleichen zu können, wird verzichtet. Entweder überall Ökosteuern oder nirgends.

Zwingend war diese Entscheidung nicht. So wurde das Bundesimmissionsschutzprinzip industriefreundlicher ausgelegt, als es die Industrie selbst vorgetragen hatte. Experten wie der Bochumer Umweltrechtler Hans Jarass rieben sich verwundert die Augen. Wenn das Verfassungsgericht derart als Stichwortgeber der Industrie funktioniert, werden sicher bald noch mehr lästige Landesumweltgesetze nach Karlsruhe getragen. Das Gericht scheint jedenfalls grenzenloses Vertrauen in den herrschaftsfreien Diskurs von Staat und Industrie zu haben. Wenn nur immer kräftig „kooperiert“ werde, kämen am Ende wohl die ökonomisch und ökologisch sinnvollsten Lösungen heraus, so die Tonart der beiden Urteile.

Man hätte mit den Entscheidungen leben können, wenn wenigstens bei dieser Gelegenheit ein für allemal klargestellt worden wäre, daß Ökosteuern auf Bundesebene zulässig sind. Ein großer Teil der deutschen Staatsrechtler hält Umweltabgaben nämlich generell für verfassungswidrig, da sie im Grundgesetz nicht vorgesehen sind und das finanzielle Gleichgewicht von Bundes- und Landeshaushalten durcheinanderbringen könnten. Doch hier hat Karlsruhe viele Fragen einfach „offen“ gelassen. Eine rot-grüne Ökosteuerreform würde also schnell mit entsprechenden Verfassungsklagen belastet werden. Christian Rath

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