Mit Nußecken und rotem Sekt im Guildo-Fieber

■ Vor dem Grand Prix in Birmingham steht Berlin kopf: England-Reisen sind ebenso ausgebucht wie Tanzkurse, CD-Läden bereiten sich auf Ansturm vor. Mitstimmen können die deutschen Fans aber nicht

Berlin steht kopf. Der heutige Auftritt von Guildo Horn beim Grand Prix d'Eurovision de la Chanson in Birmingham hat in der Stadt einen Massenansturm auf Birmingham-Reisen, Tanzkurse und Nußecken ausgelöst. Allein für die Partys in Berlin und Bochum hat ein Bäcker aus Cottbus 23.000 Nußecken hergestellt.

Seit Tagen schon sind sämtliche Sonderfahrten nach Birmingham restlos ausverkauft. Mit mehreren Bussen sind die Treuesten der Treuen unterwegs. Um sie bei Laune zu halten, werden im Bus nicht nur die Leibspeisen des Meisters, Nußecken und roter Sekt, gereicht, sondern auch kleine Spiele veranstaltet. Etwa das Trillerpfeifenspiel, bei dem man seinem Sitznachbarn eine kleine Trillerpfeife vom rechten ins linke Hosenbein schieben muß.

Auch auf den Alternativrouten nach Birmingham via Amsterdam und Brüssel regiert seit Tagen der Schlager. „An diesem Wochenende kommen Sie nicht einmal mehr nach London. Keine Chance“, sagt Rüdiger Pape vom Zentralen Omnibusbahnhof.

Die daheimgebliebenen Fans strömen in Scharen in die Berliner Tanzschulen. Denn alle wollen den „Meister-Dance“ lernen. Inzwischen gehört er in den meisten Tanzkursen neben Walzer und Foxtrott zur Grundausbildung. Erst winkt man, dreht sich dann im Kreis, macht ein Victory-Zeichen vor den Augen, greift nach dem Euter einer Giraffe, hüpft, wackelt mit dem Kopf, streckt die Arme und düst ab wie ein Linienjet nach Birmingham (der im übrigen von Berlin aus nur freitags fliegt). Dem Straßenfeger der Saison hat vor drei Wochen selbst der Internationale Tanzlehrerkongreß die nötige Ehre erwiesen und den „Meister- Dance“ zum offiziellen „Tanz des Jahres“ erkoren.

Wegen der Gier nach allem, was nach Guildo riecht, schmeckt, aussieht und vor allem klingt, laufen bei den Plattenfirmen die Pressen heiß. Bei EMI-Electrola in Köln wird eine geheimgehaltene Anzahl von CDs gehortet, für den Fall, daß am Wochenende die Nachfrage sprunghaft steigen sollte. Das Album hat schon Gold geholt, die Single ist kurz davor.

Nur die Telefongesellschaften ärgern sich. Denn anders als bei der nationalen Ausscheidung für den Grand Prix können die Deutschen Guildo in Birmingham nicht per Telefon zum Sieg verhelfen. Um wüstes Wettwählen zu verhindern, darf jedes Land nur über die Lieder der anderen Länder abstimmen. Einige Firmen bieten Touren ins Ausland an, um von dort den Meister in den Olymp telefonieren zu können.

Andere wollen 0190-Nummern schalten, mit denen Deutsche über schwedische Telefonzentralen für Guildo stimmen können. Doch der Meister und sein treuer Fanclub aus Bitburg lehnen das ab. „Wenn wir gewinnen, dann fair“, sagt Peter Dahm vom „Freundeskreis Guildo Horn und die Orthopädischen Strümpfe“.

Er warnt sogar ausdrücklich vor den 0190-Nummern. Ein Anruf könne bis zu 16 Mark kosten. Dahm empfiehlt den Berlinern für den Abend, sich mit vielen Freunden vor den Fernseher zu setzen, Nußecken und Himbeereis zu naschen und sich liebzuhaben.

Wer es etwas hysterischer mag, für den sind die Guildo-Horn-Partys genau das richtige. Davon gibt es allein in Bitburg drei. In Berlin sind es mindestens zehn. Kurz vor dem alles entscheidenden Auftritt können sich die treuesten Schüler dann noch einschwören wie der Meister. Und das geht so: Guildo stellt sich mit seiner Band, den Strümpfen, im Kreis, alle recken die rechte Faust und rufen: Strümpfe, Strümpfe, Strümpfe! Und danach heißt es natürlich Bühne frei für „Guildo hat euch lieb“. Christian Haase

Die ARD und Radio Eins übertragen den Grand Prix d'Eurovision de la Chanson ab 21 Uhr live.

Ausgewählte Partys:

„Die Nacht des Meisters“ mit Großbildleinwand, Die Kusinen, DJ Funkmaster Confetti, ab 20 Uhr im Tränenpalast;

„Guildo hat euch lieb“ mit Großbildleinwand, Karaoke, Stargästen, ab 18 Uhr im Tempodrom;

Grand Prix mit Übertragung in Schwarzweiß, DJ Disko Tack am Monoplattenspieler, ab 20.15 Uhr bei Konrad Tönz, Falckensteinstraße 30