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Für Gregor Gysi bleibt alles beim alten

Seit gestern hat es der PDS-Politiker offiziell: Der Bundestag hält ihn für einen Stasi-Spitzel. Der Beschuldigte sieht sich zu Unrecht verdächtigt, will sich mit einer Klage wehren – und zum Rücktritt kann ihn niemand zwingen  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) – Der Immunitätsausschuß des Bundestages hat gestern sein endgültiges Urteil über den Vorsitzenden der PDS- Gruppe, Gregor Gysi, gesprochen. Er sieht Gysis inoffizielle Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit als erwiesen an. In einem abschließenden Bericht kommt der Ausschuß zu dem Ergebnis, Gysi habe „seine herausgehobene berufliche Stellung als einer der wenigen Rechtsanwälte in der DDR genutzt, um als Anwalt auch international bekannter Oppositioneller die politische Ordnung der DDR vor seinen Mandanten zu schützen“. Um dieses Ziel zu erreichen, habe er „selbst an der operativen Bearbeitung von Oppositionellen teilgenommen und wichtige Informationen an das MfS weitergegeben“. Das Ziel sei „die möglichst wirksame Unterdrückung der demokratischen Opposition in der DDR gewesen“.

Der Ausschuß blieb bei den Bewertungen, die er bereits im März in einem Berichtsentwurf getroffen hatte, eine letzte Anhörung Gysis hat zu keiner Änderung geführt. Für den Bericht stimmten die Vertreter von CDU, SPD und Bündnisgrünen, dagegen die beiden Vertreter der FDP und der PDS. Der FDP-Abgeordnete van Esser hatte erklärt, daß es zwar belastende Indizien gegen Gysi gebe, letzte Zweifel aber nicht ausgeräumt seien.

Gysi will nun vor das Bundesverfassungsgericht gehen. Allerdings werden die Richter allenfalls Verfahrensmängel bei der Wahrheitsfindung feststellen können. Es ist dabei offen, ob sie in die Details der Akten einsteigen oder lediglich eine Plausibilitätskontrolle vornehmen.

Der Vorsitzende des Immunitätsausschusses, der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz, sieht dem Gang nach Karlsruhe mit Gelassenheit entgegen. Schließlich sei Gysi dort schon einmal mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Bereits 1996 hatte das Bundesverfassungsgericht einer Klage Gysis nicht stattgegeben, die dieser gegen seine Überprüfung angestrengt hatte. Die Richter erlaubten diese Überprüfung wegen der besonderen historischen Situation, verlangten aber vom Bundestag, daß er eine „sichere Überzeugung“ von Gysis Verstrickung gewinnen müsse.

Die haben die Parlamentarier nun gewonnen. Gysi hat nach ihrer Überzeugung „seine Anwaltstätigkeit für Robert Havemann, Rudolf Bahro Franz Dötterl sowie Gerd und Ulrike Poppe dazu benutzt (...), um im Rahmen seiner inoffiziellen Zusammenarbeit dem MfS Informationen über seine Mandanten zu liefern und Arbeitsaufträge des MfS auszuführen“. Einer der Bespitzelten, der Abgeordnete der Bündnisgrünen, Gerd Poppe, geht davon aus, daß mit der Feststellung Gysis politische Karriere keineswegs beendet sei.

In der Tat stellt sich die PDS geschlossen hinter ihren prominentesten Parlamentarier, obgleich sie inoffizielle Mitarbeiter, die ein Mandat übernehmen wollen, dazu verpflichtet hat, sich zu offenbaren. Gysi hat hingegen eine Zusammenarbeit mit dem MfS immer strikt geleugnet und auf die Möglichkeit verwiesen, unwissentlich von einer Quelle abgeschöpft worden zu sein. Diese Version hält der Bundestag für „zweifelsfrei widerlegt“. Nach den Unterlagen stehe fest, „daß Dr. Gysi sich mit den ihm zugeordneten Mitarbeitern des MfS, Reuter und Lohr, in seiner eigenen und anderen Wohnungen getroffen hat“.

Der Bericht des Ausschusses wird nun zusammen mit der Stellungnahme Gysis veröffentlicht. Konsequenzen hat der PDS-Gruppenvorsitzende nicht zu fürchten, da sein Status als Abgeordneter von der Überprüfung nicht tangiert war. Er kandidiert auch für die kommende Legislaturperiode.

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