: Ausstieg aus der Atom-Aufsicht
HEW wollen ihre Reaktoren und Bilanzen sichern, die Grünen aber lieber ihre eigene Glaubwürdigkeit. Die SPD prüft, was sie will ■ Von Heike Haarhoff
Vom Ausstieg aus der Atomindustrie „hängt die zentrale Glaubwürdigkeit der Bundespartei ab“, erinnerte Hamburgs grüne Landeschefin Antje Radcke gestern mit Nachdruck. Deswegen gibt es für die Hamburger Grünen in dieser Frage keine Kompromisse: „Der Landesvorstand lehnt die AKW-Gesellschaft zwischen den Hamburgischen Electricitätswerken und der PreussenElektra ab“, verkündete Radcke „unseren Beschluß“. Nun müsse „zügig eine gemeinsame Koalitionsaussage“ mit der SPD herbeigeführt werden.
Deren Landeschef Jörg Kuhbier reagierte gestern gelassen auf die konfliktträchtige Forderung: „Der status quo“ der städtischen Kontrolle über die HEW sowie das Ausstiegsziel aus der Atomkraft dürften selbstverständlich „nicht verändert werden“. Aber die Entscheidung über die Holding liege nicht „in erster Linie bei der Politik“.
Das sieht die GAL ganz anders: Der Plan der Energieversorger aus Hamburg und Hannover, zum 1. Januar 1999 die vier Atommeiler Stade, Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel in einer noch zu gründenden gemeinsamen Tochtergesellschaft zu betreiben (taz vom 17.2.), habe für Hamburg nur Nachteile. Er erschwere die Kontrolle des Senats als Mehrheitsaktionär über die HEW, lasse diese „einen weiteren Teil ihrer Selbständigkeit“ einbüßen, vernichte „bis zu 1000 Arbeitsplätze“ und stehe „grundsätzlich im Widerspruch zu den erklärten Zielen der Koalition“. Denn die hießen: „Stillegung eines AKWs“.
Die Bedenken der Grünen sind nicht unbegründet. Ziel des AKW-Zusammenschlusses, so HEW-Sprecher Johannes Altmeppen gestern, seien „Synergieeffekte“ sowie „betriebswirtschaftliche Vorteile durch nennenswerte Kosteneinsparungen, um am deregulierten Energiemarkt zu bestehen“. Fakt sei, daß „der Strom aus Kernenergie kostengünstiger wird durch die Holding“. „Dadurch“, räumte Altmeppen ein, „wird es schwieriger für Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD), kostenmäßig mit den AKWs zu konkurrieren“. Genau auf GuD aber setzt die rot-grüne Koalition, um die HEW zum Atomausstieg aus wirtschaftlichen Gründen zu zwingen.
SPD-Chef Kuhbier beschwichtigte, daß bisher „weder HEW-Vorstand noch Aufsichtsrat“ über die Holding entschieden hätten. Die HEW bestätigten, daß es noch keinen Vertrag gebe. Von dessen Ausgestaltung, so Kuhbier, hänge die politische Zustimmung oder Ablehnung ab. Die Verankerung des Atomausstiegs sei auch für die SPD ein „wesentlicher Prüfstein“.
Unklar ist derzeit, wer die neue AKW-Gesellschaft überhaupt absegnen muß: „Die Hauptversammlung der HEW-Aktionäre“, behauptete Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) gestern forsch. Damit könnte Hamburg als Mehrheitseignerin den Zusammenschluß tatsächlich verhindern. Unsinn, glauben Altmeppen und Kuhbier: Wer genehmigt, hänge vom Vertrag ab. Es könne also durchaus sein, daß bloß Vorstand und Aufsichtsrat ihr Ja-Wort geben müßten. Denn im Aufsichtsrat hat die Stadt zwar mit Porschke und Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) zwei Stimmen, aber keine Mehrheit.
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