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„Alles geschieht ohne Wissen der Betreffenden“

■ Im Berliner Dopingprozeß belegen Stasiakten einen DDR-Großversuch mit Hormonen

Berlin (dpa) – Im DDR- Schwimmsport wurde 1977 laut Stasiakten ein Großversuch mit männlichen Hormonen gestartet. Von dem Einsatz „unterstützender Mittel“ waren 61 Nationalmannschaftsathleten aus allen zehn Schwimmsportklubs der DDR betroffen, heißt es in einem Dokument, das am Mittwoch im Pilotprozeß um das systematische Doping im DDR-Sport vor dem Berliner Landgericht verlesen wurde. Bei dem Großversuch sollten an 23 junge Frauen und 38 Männer aus allen zehn DDR-Schwimmklubs in zwei Phasen jeweils bis zu 400 Milligramm Turinabol verabreicht werden. Ziel war, die Wirkung des männlichen Hormonpräparats auf die Leistung zu prüfen.

„Wenn es bei Gläser um Erfolg und Geld geht, geht er über Leichen“, heißt es in einem Stasipapier über den Schwimmtrainer Rolf Gläser. In dem Stasidokument wird berichtet, Gläser und der ebenfalls angeklagte Trainer Dieter Krause sollten bei dem Turinabol-Großversuch mitwirken.

Die am zwölften Tag des Prozesses verlesenen Akten gehen auf Berichte des Inoffiziellen Mitarbeiters der DDR-Staatssicherheit „Rolf“ zurück, bei dem es sich nach Auffassung von Ermittlern um den früheren DDR-Schwimmverbandsarzt Lothar Kipke handeln soll. Der heute 70jährige verweigerte gestern vor Gericht die Aussage, weil gegen ihn selbst ebenfalls ermittelt werde.

Dem Stasidokument zufolge sollte Minderjährigen die „Legende“ von der Verabreichung von Vitaminen vermittelt werden: „Alles geschieht ohne Wissen der Betreffenden.“ Sportler über 18 „werden in die Problematik einbezogen und vom Trainer mündlich zum Schweigen verpflichtet“.

Die vier angeklagten früheren Trainer und zwei Ärzte des SC Dynamo Berlin haben sich in dem Prozeß bislang nicht geäußert. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen Körperverletzung zur Last, weil sie 19 minderjährigen Schwimmerinnen von 1974 bis 1989 ohne deren Einwilligung und ohne Aufklärung Doping verabreicht haben sollen.

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