piwik no script img

Tödliche Schüsse auf fliehende Elite-Studenten

■ Bei der ersten größeren Demonstration an Jakartas Trisakti-Universität schießt das Militär

Bangkok (taz) – „Scharfe Munition darf nur zur Selbstverteidigung genutzt werden, um solche Randalierer handlungsunfähig zu machen, die offensichtlich drohen, andere zu töten oder schweren Sachschaden zu verursachen.“ So verlangt es eine interne Anweisung des indonesischen Militärs, die kürzlich an die Presse durchsickerte und von der mutigen englischsprachigen Jakarta Post veröffentlicht wurde.

Die Soldaten verfügen über je 15 Schuß Platzpatronen, Gummikugeln und scharfe Munition, heißt es in dem Armeepapier weiter. Die Geschosse sollen auch in dieser Reihenfolge eingesetzt werden, wenn einfache Überredung, Warnungen über das Megaphon, Schlagstöcke und Tränengas nichts nützen.

Doch bei den Schüssen an der Trisakti-Universität am Dienstag, als sechs Studenten ums Leben kamen und Dutzende verletzt wurden, hielten sich die Soldaten offensichtlich nicht an diese Disziplin. „Sie schossen noch, als die Studenten bereits wegliefen“, berichtet ein erzürnter Professor. Unklar ist, ob die Uniformierten einfach die Nerven verloren oder ob es sich um eine gezielte Aktion im Sinne der Hardliner im Militär handelt, die mit der bisherigen Zurückhaltung gegenüber den protestierenden Studenten nicht zufrieden sind und auf hartes Durchgreifen drängen.

Daß die Gewalt gerade an dieser Universität im Westen Jakartas eskalierte, kam für viele völlig überraschend. Denn an der in der Nähe des indonesischen Finanzdistrikts gelegenen Trisakti, einer der vier renommiertesten Hochschulen in Jakarta, war es bislang ruhig gewesen – anders als zum Beispiel auf dem Campus der großen Universitäten Indonesiens. An der Trisakti studieren traditionell viele chinesischstämmige Indonesier, Kinder wohlhabender Kaufleute, höherer Armeeoffiziere und Beamter. „Dies war die erste größere politische Demonstration an der Trisakti“, sagt der Professor.

Die Universität war als chinesische Hochschule Baperki gegründet worden. Sie wurde aber Mitte der sechziger Jahre geschlossen, weil sie als „von Kommunisten unterwandert“ galt. Nach dem Sturz des Staatsgründers Sukarno und dem Machtantritt von General Suharto kamen 1965/66 bei Massakern gegen mutmaßliche Kommunisten über eine halbe Million Menschen ums Leben. Doch wenige Jahre später öffnete die Lehranstalt wieder ihre Pforten als überkonfessionelle und private Universität Trisakti. Jutta Lietsch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen