: „Wenn er nicht geliebt wird, fällt er aus der Kurve“
■ Christine Ostrowski, Frontfrau der PDS, kämpft in Dresden für den Bundestag. Ihr CDU-Gegenkandidat Arnold Vaatz reagiert nervös, trotz des sicheren Direktmandats für Bonn
Dresden (taz) – Manche Männer haben Angst vor Frauen, die keinen Hehl daraus machen, sich vor allem von Gefühlen leiten zu lassen. In Dresden sagen solche Männer, die PDS habe eine Hexe für den Bundestag nominiert. Christine Ostrowski, Chefin der hiesigen Sozialisten, hat ein emotionales Verhältnis zu ihrer Kandidatur. „Höllische Freude“, sagt sie und zeigt Zähne beim Lächeln, „höllische Freude würde ich haben, wenn Arnold Vaatz verliert.“ Ostrowski ist nicht nur Landtagsabgeordnete und Galionsfigur ihrer Partei. Sie ist bis zur Bundestagswahl vor allem Gegenkandidatin. Gegen Arnold Vaatz, Kandidat der CDU.
Vaatz, sächsischer Nochumweltminister, soll zukünftig als ostdeutscher Hoffnungsträger nach Bonn wechseln. Das dortige Adenauerhaus ist ihm zu Dank verpflichtet, weil er vor zwei Jahren den spektakulären Übertritt von Vera Lengsfeld und sechs anderen Bürgerrechtlern zur CDU organisierte. In der Landespolitik hingegen sinkt der Stern des ehemaligen Leiters der Staatskanzlei, seit ihn Ministerpräsident Biedenkopf 1992 ins Umweltministerium verbannte. Zu oft hatte Vaatz die gewendeten „Blockflöten“ in der eigenen Partei angegriffen. In Bonn soll der 43jährige ehemalige Bürgerrechtler medienwirksam vermarktet werden, so das Kalkül in der Union. Eine gute Gelegenheit, den unbequemen Querkopf loszuwerden, freute sich die CDU in Sachsen und räumte ein Direktmandat im sicheren Wahlkreis frei.
Wie ein Rohrspatz schimpft Vaatz auf sie
Jetzt das. Ausgerechnet die Ostrowski. „Einen von Haßtiraden geprägten Wahlkampf“ erwarte er, sagt Vaatz. Die „bekannten Methoden der Frau Ostrowski“ seien die gleichen, mit denen die DVU in Sachsen-Anhalt agiert habe. Wenn der Minister nur den Namen Ostrowski hört, vergißt er, sein Skript über den Abbau der Sozialsysteme zu referieren. Er muß einfach schimpfen. Auf die „Tränendrüse Ost“ und die „Gebetsmühlenphrasen von der angeblichen sozialen Kälte“. Gemeint ist die PDS, angegriffen fühlen sich fast alle in Dresden.
Genau da will Christine Ostrowski ihn haben. „Zum Ausflippen bringen“ werde sie ihn, „immer wieder“. Fast lustvoll verbeißt sie sich in den Charakter ihres Gegners. „Wenn Vaatz nicht geliebt wird, fällt er aus der Kurve.“
Geliebt wird in Dresden nur sie selbst, glaubt Ostrowski. Einen Liebesbeweis holt sie sich am 1. Mai auf einem PDS-Fest. Im Biergarten vor dem „Haus der Begegnung“ verteilt ein junges Mädchen mit Rasta-Locken barfuß Bier vom Faß. Die zahlreich anwesenden älteren Damen in geblümter Bluse scheint das punkige Outfit nicht zu stören. Einige Männer tragen T-Shirts mit Parolen. „Bischofferode ist überall“ steht da, aber auch „Bier formte diesen Körper“ oder „Deutschland“. Sieht sie so aus, die „ostdeutsche Volkspartei“, zu der Ostrowski die PDS machen will? In Dresden funktioniert die PDS allerdings wie ein Ostrowski- Team. Wie wohl nirgendwo sonst ist die Partei auf eine einzige Führungsperson zugeschnitten. Sogar der Fraktionschef im Stadtrat wird nur als „Mitarbeiter von der Ossi“ vorgestellt. Vor der Wende arbeitete Christine Ostrowski als Pionierleiterin und SED-Funktionärin. Auch nach 1989 blieb sie der ehemaligen Staatspartei erhalten: als stellvertretende Bundesvorsitzende, als Volkskammer-, Stadtrats- und seit 1994 auch als Landtagsabgeordnete. Sie provozierte die konservative Landesregierung mit über 1.000 parlamentarischen „Kleinen Anfragen“. 1997 stellte ein Regierungssprecher genervt fest, Ostrowski habe mit ihren Fragen Referentenarbeit im Wert „eines kleinen Häuschens“ in Anspruch genommen. Einer Umfrage zufolge kennen 70 Prozent der Dresdner Christine Ostrowski. Sie wird auf Veranstaltungen schlicht als „die Ostrowski“ vorgestellt. Das klingt anders als „Wir begrüßen den Minister für Umwelt und Landesentwicklung der sächsischen Staatsregierung, Arnold Vaatz“.
Christine Ostrowski ist gelernte SED-Genossin
Der fürchtet seine unbequeme Gegnerin. Was soll der Minister auch entgegnen, wenn Ostrowski auf einer Veranstaltung unter Beifallsgetöse in die Menge ruft: „Die Menschen im Osten fühlen sich erniedrigt, und sie haben recht!“? Im grauen Anzug, mit kleiner runder Brille wirkt Vaatz dann hilflos. Später sagt er zu Journalisten, ihm läge halt das Pathos weniger als die Analyse. So habe er lernen müssen, daß relativer Wohlstand im Osten mehr zähle als absoluter. Dies sei freilich auf einem Podium schwer zu vermitteln. Die Beschädigung von Vaatz ist unverblümtes Ziel im Wahlkampf Ostrowskis. „Er soll wenigstens das schlechtestes Wahlergebnis in ganz Sachsen erhalten.“ Daß Ostrowski nicht nur öffentliche Auftritte, sondern auch das Mandat gegen Vaatz gewinnen kann, glaubt indes niemand in der PDS. „Hier kann die CDU auch einen Besenstiel aufstellen“, hat Ostrowski selbst noch vor einem Jahr gesagt.
So unglücklich über die PDS-Angriffe sei die CDU im übrigen nicht, meint Roland Weckesser. Der Fraktionschef der PDS im Dresdner Stadtrat rät seiner Partei, überall in Ostdeutschland auf Krach mit der Union zu setzen. Daß die Union den Zoff gerne annimmt, bezweifelt Weckesser nicht. Eine Polarisierung zwischen CDU und PDS stärke aller Erfahrung nach die Sozialisten. Und dies sei durchaus im Sinne der Union, so der Taktiker: „Denn eine starke PDS schwächt die SPD.“
So zielen die Attacken der Christine Ostrowski nicht wirklich gegen Arnold Vaatz. Längst fürchten die PDS-Genossen einen ganz anderen. „Die Polarisierung“, hofft der Fraktionschef, „ist unsere einzige Chance gegen Schröder.“ Robin Alexander
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen