: Frauenministerin bangt um ihr Amt
Die nordrhein-westfälische Gleichstellungsministerin Ilse Ridder-Melchers ist die Dienstälteste ihre Zunft. Nächste Woche entscheidet sich, ob ihr neuer Ministerpräsident sie künftig halten will ■ Aus Düsseldorf Daniela Weingärtner
Kabinettsverkleinerung zu Lasten von Frauenpolitik liegt derzeit in SPD-geführten Bundesländern im Trend.
Auch in Nordrhein-Westfalen wird nächste Woche gemeinsam mit Ministerpräsident Johannes Rau das gesamte Kabinett den Verfassungsregeln entsprechend zurücktreten. Sein Nachfolger Wolfgang Clement läßt sich vor Amtsantritt nicht in die Karten schauen. Gleichstellungsministerin Ilse Ridder-Melchers muß aber mehr als andere Kolleginnen und Kollegen um ihren Posten bangen.
1993 machte Schleswig-Holstein den Anfang. Dort wurde 1988 Gisela Börk zur ersten Frauenministerin der Bundesrepublik berufen. Fünf Jahre später packte die frischgebackene Ministerpräsidentin Simonis dem Ressort die Bereiche Bildung und Sport hinzu. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck nutzte ein Jahr später seine Amtsübernahme, um das bislang eigenständige Frauenministerium mit anderen Ressorts zusammenzulegen. Nach Schröders Wahlsieg im März in Niedersachsen ereilte die dortige Frauenministerin Christina Bührmann das gleiche Schicksal.
Nur zwei Bundesländer leisten sich bis heute reine Gleichstellungsministerien: Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Kein Wunder, daß nun auch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf über die politische Zukunft von Ministerin Ilse Ridder-Melchers spekuliert wird. 1986 ernannte Johannes Rau die heute 54jährige Frauenpolitikerin zur Parlamentarischen Staatssekretärin für die Gleichstellung von Mann und Frau. Im Juni 1990, nach den Landtagswahlen, wurde ein Gleichstellungsministerium daraus. Seit 1977 setzt sich Ridder-Melchers, die ihre politische Karriere als Ratsfrau in Coesfeld im Münsterland begann, im Düsseldorfer Landtag für Frauenbelange ein. Fragt man sie heute, welche politischen Erfolge ihrer bisherigen Laufbahn ihr besonders wertvoll sind, nennt sie natürlich den juristischen Triumph über Gegner des 1989 verabschiedeten NRW-Frauenförderungsgesetzes an erster Stelle.
Acht Jahre lang hatte das Gesetz sämtliche Instanzen durchlaufen, bis ihm schließlich im November 1997b der Europäische Gerichtshof bescheinigte, mit EU- Recht vereinbar zu sein. Noch heute bezeichnet die Ministerin den Tag der Gerichtsentscheidung als „historische Wende“, da die Richter in ihrer Urteilsbegründung eingeräumt hätten, daß nach wie vor ungleiche Karrierechancen für Männer und Frauen bestehen.
„Gewalt gegen Frauen“ sieht die Ministerin als weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit.
Mit 63 Frauenhäusern und 50 Beratungsstellen für Frauen sowie den bundesweit ersten Zufluchtsstätten für sexuell mißbrauchte Mädchen braucht NRW den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht zu scheuen. Zwei Bundesrats-Initiativen zur Gewaltproblematik tragen die Handschrift der Ministerin. Sie setzte sich dafür ein, das Strafrecht bei Menschenhandelsdelikten zu verschärfen. Und sie bemühte sich um eine Änderung von § 19.2 Ausländerrecht, der die Bedingungen regelt, unter denen ausländische Ehefrauen deutscher Männer einen eigenständigen Aufenthaltsstatus erwerben. Bislang mußte die eheliche Gemeinschaft in Deutschland vier Jahre lang bestanden haben, bevor die Frau ein eigenes Aufenthaltsrecht bekam. Seit Sommer 1997 können Frauen, denen von ihrem Mann Gewalt droht, sofort einen eigenständigen Anspruch erwerben.
Das nordrhein-westfälische Aktionsprogramm „Frau und Beruf“ ist nach Ansicht von Ridder-Melchers ebenfalls ein wichtiger Teil ihrer bisherigen Arbeit. Sie empfiehlt es einer möglichen zukünftigen SPD-Bundesregierung als Modell für Arbeitsmarktpolitik auf Bundesebene. In NRW soll es sicherstellen, daß sämtliche arbeitsmarktpolitischen Initiativen des Landes Gleichstellungsbelange berücksichtigen. Den Trägern von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen werden bindende Auflagen gemacht, einen Frauenanteil von mindestens 50 Prozent sicherzustellen. Auch der Anteil von Frauen an Programmen für Existenzgründer kletterte nach anfänglicher weiblicher Zurückhaltung auf mehr als 30 Prozent, weil das Land seine Förderangebote den Bedürfnissen von Existenzgründerinnen anpaßte. Die Botschaft, die nach Schröders Kabinettsumbildung haften blieb – das Frauenministerium wird aufgelöst –, hält Ridder-Melchers für unglücklich. „Wenn von vier Ministerinnen am Ende nur zwei übrigbleiben, so könnte ich das nicht als großen Reformschritt bezeichnen.“
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