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Oralsex-Polizist bleibt im Dienst

■ Die Disziplinarkammer hat die Entlassung eines Polizisten abgelehnt / Er hatte 1996 eine festgenommene Frau auf der Wache zum Oralverkehr gezwungen / Bezüge werden gekürzt

Ein Polizist, der eine Festgenommene auf der Wache zum Oralverkehr zwingt, muß nicht aus dem Dienst entlassen werden. Es reicht, wenn ihm die Dienstbezüge gekürzt werden. Das hat die Diszpli-narkammer des Bremer Verwaltungsgerichtes jetzt im Falle des Polizeioberkommissars Reiner W. entschieden. Wie berichtet, hatte der Polizist im Juni 1996 eine damals 44jährige Frau auf der Wache in Vegesack zum Oralverkehr gezwungen. Wegen sexuellen Mißbrauchs von Gefangenen und behördlich Verwahrten hatte das Amtsgericht Blumenthal gegen ihn eine Geldstrafe von 6.000 Mark im Wege eines Strafbefehls verhängt.

Im Rahmen des Disziplinarverfahrens versuchte die Senatskommission für das Personalwesen (SKP) den suspendierten Polizisten endgültig aus dem Dienst zu entlassen. Ohne Erfolg. Der Antrag ist von der Disziplinarkammer abgelehnt worden. „Das ist nicht so ausgegangen, wie wir uns das vorgestellt haben“, räumt Behördensprecherin Susanne de Navarre auf Anfrage ein. Die Behörde hat gegen die Entscheidung jetzt Berufung beim Disziplinarhof des Oberverwaltungsgerichtes eingelegt.

Bei der Polizei ruft die Entscheidung der Disziplinarkammer Kopfschütteln hervor. „Der hat das Ansehen der Polizei unwahrscheinlich in Mißkredit gebracht“, sagt ein Polizeibeamter, der namentlich nicht genannt werden will. „So jemand muß gehen. Der ist untragbar. Das sind schwarze Scharfe, über die die Polizei kein Tuch decken darf.“ Dieser Meinung ist auch ein Polizist, der mit Reiner W. zusammengearbeitet und ihn als „zuverlässigen, geachteten Kollegen“ kennengelernt hat. „Selbst wenn die Frau ihn provoziert haben sollte, hätte er es nicht tun dürfen.“

Auch Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe reagiert auf die Entscheidung der Disziplinarkammer empört: „Ein Polizist, der eine Festgenommene zum Oralverkehr zwingt, gehört nicht in den Polizeidienst. Wenn hier nicht durchgegriffen wird, möchte ich wissen, wie die Polizeiführung in Zukunft verhindern will, daß solche Übergriffe stattfinden?“ Eine Frage, auf die die taz bis Redaktionsschluß keine Antwort von der Polizeiführung bekam.

Die Gründe, die eine Entlassung des Polizisten so schwierig machen, sind rein juristischer Natur. Gegen den Polizisten ist ein Strafbefehl verhängt worden. Mit einem Strafbefehl, der die gleiche Wirkung hat wie ein Urteil, darf nur eine Höchststrafe von zwölf Monaten auf Bewährung verhängt werden. Beamte werden allerdings erst aus dem Staatsdient entlassen, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe – mit oder ohne Bewährung – von über zwölf Monaten verurteilt worden sind. Bei einer geringeren Strafe wird die Entlassung aus dem Dienst zur Ermessensfrage im Disziplinarverfahren.

Der Anstoß, die Angelegenheit mit einem Strafbefehl zu erledigen, kam seinerzeit von der Staatsanwaltschaft. Der Richter willigte ein, dem Polizisten blieb die peinliche Hauptverhandlung erspart. Mit der Begründung, es bestünde kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Festgenommenen und dem Polizisten, hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ursprünglich sogar eingestellt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hob die Einstellung auf. Das Verfahren ging zurück an die Staatsanwaltschaft, die die Anklage zurückzog und eine Erledigung mittels Strafbefehl anregte – was Reiner W. im Disziplinarverfahren jetzt zugute kommt. kes

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