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Regierungsfraktionen allein im Haus

■ Die Opposition protestiert gegen Schnellverfahren bei der Verwaltungsreform und zieht aus dem Parlamentsausschuß aus

Die Parteien der Großen Koalition mußten gestern ihre Gesetzesvorlage zur Verwaltungsreform im Abgeordnetenhaus allein diskutieren. Unter Protest hatten zuvor PDS und Bündnis 90 den gemeinsam tagenden Rechts- und Innenausschuß verlassen, als dort CDU und SPD die endgültige Fassung des Gesetzes über die Verlagerung von Aufgaben der Senatsverwaltungen auf die Bezirke zur Diskussion und zur Abstimmung stellten.

„Wir halten es für eine Unverschämtheit, wie CDU und SPD uns hier mit Änderungsanträgen bombardieren“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Bündnisgrünen und gleichzeitige Rechtsausschußvorsitzende, Norbert Schellberg. „Dieses undemokratische Vorgehen kann ich auch als Ausschußvorsitzender nicht unterstützen.“

Am Donnerstag soll das sogenannte Allgemeine Zuständigkeitsgesetz (AZG) vom Plenum des Parlaments beschlossen werden. Schon vor Monaten hatte die SPD hierfür einen Gesetzentwurf formuliert, letzten Donnerstag einigten sich SPD und CDU auf einige Änderungen an diesem Entwurf. Gestern nun wollten die Regierungsfraktionen diese Änderungen im Ausschuß beschließen. „Um 17.20 Uhr am Freitag wurde ein zehnseitiger Änderungstext über die Faxgeräte geschickt. Unmöglich konnten alle Ausschußmitglieder die Änderungen noch lesen“, empört sich Schellberg. Doch gestern wurde der Antrag der Bündnisgrünen, die Änderungen zwar zu beraten, einen Beschluß jedoch erst am Mittwoch zu fassen, abgelehnt; die Änderungen wurden mit den Stimmen von CDU und SPD beschlossen.

Die Bündnisgrünen werfen der Regierungskoalition eine Verletzung der Oppositionsrechte vor. Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, erklärte: „Über die (Änderungsanträge; d.V.) der Koalition konnte die Opposition sich weder in Arbeitskreisen noch auf einer Fraktionssitzung verständigen. Wir sehen damit den Artikel 38 Absatz 3 der Verfassung verletzt, der der Opposition das Recht auf Chancengleichheit gibt.“ Dabei handele es sich bei den Änderungsanträgen nicht um Kleinigkeiten. Insbesondere das Eingriffsrecht des Senats bei künftigen Bezirksaufgaben sei erheblich erweitert worden. Auch der PDS-Abgeordnete Klemm wies darauf hin, daß das erweiterte Eingriffsrecht erst durch die Fraktionen und den Rat der Bürgermeister geprüft werden müsse.

CDU und SPD weisen die Vorwürfe der Opposition als haltlos zurück. Kirsten Flesch betont: „Inhaltlich gab es keine wesentlichen Änderungen.“ Sie kritisiert den vorzeitigen Auszug von Bündnisgrünen und PDS. „Wir hätten in aller Ruhe beraten und dann später noch die Beschlußfassung verschieben können.“

Für die parlamentarische Beratung wollen die Bündnisgrünen nun eine verlängerte Beratungszeit beantragen. Die PDS hat angekündigt, eine Rücküberweisung des AZG in die Ausschüsse zu beantragen. Die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände hat unterdessen ebenfalls gefordert, das AZG nicht am Donnerstag zu verabschieden. Richtige Ansätze seien im vorliegenden Entwurf mit unüberlegten Schnellschüssen vermengt. Barbara Junge

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