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DVU und NPD kommen nicht zusammen

■ Bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen werden sich DVU und NPD als Konkurrentinnen gegenüberstehen. Im Norden könnten beide in den Landtag einziehen

Berlin (taz) – Nach dem spektakulären Erfolg der rechtsextremistischen Deutschen Volksunion (DVU) in Sachsen-Anhalt steht Gerhard Frey der Sinn nach Vorherrschaft im Osten. Der DVU- Boß rechnet sich nämlich auch bei den Landtagswahlen in Sachsen und Meckenburg-Vorpommern Chancen auf ein properes Wahlergebnis aus. Doch in beiden Bundesländern trifft Frey auf seine ärgste Konkurrentin; die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) hat sich fest in den ostdeutschen Ländern verankern können.

Normalerweise machen die Ultras einen weiten Bogen umeinander. Das Wahlergebnis von 12,9 Prozent in Sachsen-Anhalt ließ Frey jedoch kontaktfreudig werden. Vor drei Wochen lud er seinen Erzrivalen Udo Voigt zu sich nach Hause in die Münchener Villa ein. Frey unterbreitete dem NPD-Boß eine Offerte, die östlichen Bundesländer aufzuteilen. Um sich nicht gegenseitig die Stimmen abzujagen, so Freys Vorschlag, werde seine DVU im kommenden Jahr bei den Landtagswahlen in Sachsen nicht auftreten. Im Gegenzug möge sich die NPD jetzt aber aus dem Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern heraushalten. Dort werden die Wähler am 27. September nicht nur über die Besetzung des Bundestages, sondern auch über den Landtag entscheiden. Um Voigt den Deal schmackhaft zu machen, sicherte Frey außerdem zu, bei den Kommunalwahlen in Brandenburg – ebenfalls am 27. September – erst gar nicht anzutreten.

Der NPD-Chef fand die Ideen des DVU-Kameraden wenig mitreißend. Das letzte Spitzengespräch der Rechten sei in „sehr frostigem Ton geführt“ worden, sagt ein Insider. Nach zehn Minuten habe Voigt die Plauderei beendet. Taktische Kooperationen zählen ohnehin nicht zu den Spezialitäten der rechtsextremen Parteien. Erst recht nicht, wenn eine von ihnen angeschlagen ist. Wie die NPD. Daß in Sachsen-Anhalt die Front der Frustierten so groß ist, daß rassistische Parolen gleichermaßen im Plattenbau wie auf dem flachen Land ankommen, damit hatten die NPD-Funktionäre einfach nicht gerechnet. Erst zwei Wochen vor der Sachsen-Anhalt-Wahl fing die Partei an, Unterschriften für die Wahlzulassung zu sammeln.

Bei der nächsten Wahl wollen sich NDP und DVU einen harten Kampf liefern. Für Mecklenburg- Vorpommern setzt Ex-Hauptmann Voigt voll auf Sieg. Die 17köpfige Landesliste führt Thorsten Kowalski an. Der 26jährige Fliesenleger verkörpert für den Landesvorsitzenden Hans-Günter Eisenecker den „durchschnittlichen Wähler“. Außerdem halte Kowalski den Kontakt zur Kaderorganisation, zu den Jungen Nationalen. Der Rechtsanwalt zählt zu den alten Herren. Er organisiert den Wahlkampf. Die NPD will sich in Mecklenburg-Vorpommern als Partei von unten präsentieren. „Einen Wahlkampf mit Gesicht werden wir führen“, verspricht er. Mit Fahnen und Transparenten wolle man in den kommenden Monaten durch die Dörfer im Nordosten marschieren. Auf Marktplätzen sollen „einheimische Kameraden über die Lage des Landes sprechen“, so Eisenecker.

Ob die NPD im Parlament etwas ändern mag? Mit diesen Fragen will sich Bundesvorsitzender Voigt nicht im Detail beschäftigen. Beim Thema Arbeitslosigkeit greift er in die verstaubte Kiste der bolschewistischen Rhetorik: volkseigene Betriebe, Enteignung, Mitbeteiligung am Produktivvermögen. Auch die griffigste der rassistischen Parolen fehlt nicht: „Deutsche Arbeitsstellen für deutsche Arbeiter“.

Ähnliche Sprüche klebte die DVU in Sachsen-Anhalt. Die gleichen Plakate wird die Münchener Zentrale auch nach Norden schicken. Das Geld kommt sowieso von Frey. Etwa zwei Millionen Mark sollen es sein. Organisatorisch hat die Partei nicht viel zu bieten. Ein Landesbüro existiert nicht. DVU- Landesvorsitzender ist Birger Fuß, 27, gelernter Fleischer. Mehr sei über ihn nicht zu sagen, meint Olaf Herrmann, der als Abgesandter Freys durchs Land fährt und nach geeigneten Kandidaten für den Landtag sucht. Hundert Bewerbungen müsse er sichten, sagt der 22jährige Verlagskaufmann aus Berlin. Ende Juli soll die Kandidatenliste stehen. Zu den politischen Zielen der DVU möchte Herrmann „vorläufig nichts sagen“. Nur soviel: „Die Partei plant öffentliche Veranstaltungen.“ Ob die Mecklenburger auch mit Bussen zu Wahlveranstaltungen unter Saalschutz gekarrt werden, wie in Sachsen-Anhalt, bestimme die Parteizentrale in München.

Vor der Wahl in Sachsen-Anhalt im April testete Emnid auch das politische Klima im Nordosten. Die Meinungsforscher halten das Wählerpotential rechtsextremer Parteien für hoch, vor allem bei jenen, die wenig in der Haushaltskasse haben. Acht Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, eine rechtsextreme Partei zu wählen. Weitere acht Prozent sagten, sie würden es tun, sollten sich die Probleme des Landes verschärfen. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch.

Anzunehmen, daß die DVU in den nächsten Monaten im Land eine Materialschlacht veranstaltet. Möglich, daß sie eine reele Chance hat, in den Landtag einzuziehen. Denkbar ist auch, daß neben der DVU auch die NPD im Landtag sitzen wird. Das Wählerpotential dafür ist vorhanden. Annette Rogalla

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