piwik no script img

Vernunftresistenter Atomkonzern

Castor-Skandal in der Bürgerschaft: Grüner Umweltsenator Porschke kritisiert die HEW, und die CDU schimpft munter mit  ■ Von Silke Mertins

Hamburgs Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) fürchtet, daß die AKW-Betreiber auch nach dem Castor-Skandal „das Problem nicht verstanden haben“. Beharrlich bestreitet der Vorstand der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) nämlich, überhaupt Fehler gemacht zu haben, bedauerte der grüne Senator gestern während der aktuellen Stunde der Bürgerschaft. Porschke vermutet außerdem, daß die mauernde Atomwirtschaft noch mehr Leichen im Keller hat. Ob in den vergangenen zehn Jahren Castoren überhaupt geprüft wurden, wollte der Atom-Konzern HEW seinem Aufsichtsratsmitglied Porschke bislang nicht verraten. In jedem Fall müßten nun „die Fakten auf den Tisch gelegt“ werden. Das Prinzip „Was wir nicht gemessen haben, ist auch nicht da“ sei nicht hinnehmbar.

Die Forderung nach dem Ausstieg aus der Atomenergie erneuerte der energiepolitische Sprecher der grünen Fraktion, Lutz Jobs. Der Castor-Skandal habe gezeigt, „wie bedrohlich wenig Atomwirtschaft und Demokratie zusammenpassen“, sagte Jobs.

Die grüne Kritik ist auch ein zarter Hinweis an Koalitionspartner SPD. Schließlich ist Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) Aufsichtsratschef der mehrheitlich der Stadt gehörenden HEW. Die Schlampereien seit Mitte der achtziger Jahre fanden somit unter sozialdemokratischer Verantwortung statt.

Deutlicher als der grüne Umweltsenator konnte dies die CDU formulieren: „Wem gehört denn die HEW?“, fragte deren Umweltexperte Roland Salchow und gab die Antwort. „Es ist doch die Stadt Hamburg, die Eigentümerin des Sünders ist.“ Und nun müsse mal über „Eigentümerhaftung“ geredet werden statt über „den ewigen Hinweis auf Bonn“. Daß Runde als Aufsichtsratschef „diese Eigentümer vertritt“, dazu „müssen Sie politisch auch mal stehen“. Denn: „Die Länder kontrollieren innerhalb der Kernkraftwerke“, der Bund sei nur für die Kontrolle des Transports zuständig. Und die Grenzwertüberschreitung der Castoren sei ja außerdem „nicht in Deutschland“ festgestellt worden. Allerdings, räumte Salchow ein, „verträgt das Thema keine Vertuschung“. Wenn die Betreiber Informationen zurückhielten, „spielen sie den Atomaussteigern in die Hände“. Schon jetzt, rauft sich der CDU-Mann die Haare, würde der Castor-Skandal von Atomkraft-Gegnern „instrumentalisiert“.

Für die SPD-Fraktion geißelte Anke Hartnagel die Vorfälle als „kriminell“. Es reiche nicht aus, „sich darauf zurückzuziehen, daß es keine Meldepflicht gibt“. Der Castor-Skandal „hat sämtliche Vorbehalte gegen die Atomkraft bestätigt“. Hier seien „schlampig und fahrlässig“ Menschen – etwa Polizeibeamte und Bahnbedienstete – den Gefahren radioaktiver Strahlung ausgesetzt worden. Daß das alles nicht gut gelaufen ist, kann auch die CDU nicht bestreiten. „Was sollen wir denn machen?“, so die CDUlerin Bettina Machaczek, „einfach abschalten?“ Ihre Antwort auf die rhetorische Frage ging im „Ja!“-Geschrei, Jubel und Applaus der grünen Fraktion unter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen