Achtzigtausend fordern Bildung

Die größte Schuldemonstration in Hamburgs Geschichte: 80.000 Schüler, Eltern und Lehrer protestieren gegen Sparpläne des Senats  ■ Von Judith Weber

Enger als vor der Rednerbühne ist es nur bei McDonald's am Dammtor. Schwitzend warten PlakatträgerInnen hier auf ihre Pommes; ein Zwölftkläßler, der eben noch „Rosie Raab: Bildungsgrab!“ gerufen hat, verlangt heiser nach einer Cola. Dann geht's wieder raus, vom Gedränge am Essensstand ins Getümmel auf der Moorweide. Dort demonstrierten gestern etwa 80.000 SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und GewerkschaftlerInnen gegen die geplanten Kürzungen an Hamburgs Schulen.

Seit Wochen hatten sie die größte Bildungsdemo in der Geschichte der Hansestadt geplant. Die Schulaufsicht drohte mit Sanktionen, falls für die Aktion Unterricht ausfalle, und Senatorin Rosemarie Raab (SPD) schwächte vor zwei Tagen ihre Sparpläne ab: 120 Lehrerstellen, die gestrichen werden sollten, bleiben erhalten, versprach sie im Einvernehmen mit Regierungspartnerin GAL. Statt dessen solle an Büchern und Heizung gespart werden – ein erfolgloser Versuch, „uns den Wind aus den Segeln zu nehmen“, konstatiert Julia Liedtke, Vorsitzende der SchülerInnenkammer.

Mittags, nach Ende der offiziellen Unterrichtszeit, marschieren von sechs Treffpunkten aus Demozüge Richtung Moorweide. Ein paar Eier zerplatzen auf dem Asphalt und mischen sich mit Wasser in den Pfützen zu gelbem Brei. Über Lautsprecher bittet ein Lehrer, „nicht mit Äpfeln zu werfen“, und die Altonaer Fachschule für Sozialpädagogik ist mit einem LKW angereist, von dem Musik tönt. Nichts geht mehr auf den Straßen der Innenstadt; als mehrere tausend SchülerInnen an der Uni vorbeilaufen, schließen sich auch StudentInnen dem Zug an.

Wo genau die rot-grüne Koalition an Hamburgs Schulen spart, ist den DemonstrantInnen „wurscht. Wir haben auf jeden Fall Nachteile davon“, schimpft Jana, die in die 10. Klasse des Helene-Lange-Gymnasiums geht. „Ich will meinen Lehrer behalten“, ruft der Junge neben ihr, bevor er, von einem Gummibärchen am Ohr getroffen, zusammenzuckt. Von der Bühne aus erklärt Anna Ammonn, Chefin der Lehrergewerkschaft GEW: „Wir artikulieren den Mehrheitswillen in Hamburg“.

SPD und GAL, so die Forderung, sollen ihren Koalitionsvertrag ändern: keine Kürzungen bei den Lehranstalten, statt dessen Investitionen in die Bildung. Sonst, hat eine Schülerin quer über ihren Pulli geschrieben, „bleiben wir blöd und Ihr seid schuld“. Christa Goetsch, schulpolitische Sprecherin der Hamburger Grünen, reagiert gelassen. „Ich fühle mich überhaupt nicht angegangen.“ Schließlich habe die GAL viele ihrer Ziele in den Verhandlungen mit der Senatorin durchgesetzt.

Eine gute Schulbildung garantiert das noch nicht, findet Silvia Müller aus Langenhorn. Sie gehört zu den – verhältnismäßig wenigen – Eltern, die zur Moorweide gekommen sind. Zwar gehen sie die geplanten Einsparungen nicht direkt an, weil ihre Tochter erst in die zweite Klasse geht und Grundschulen davon ausgenommen sind. Protestieren will Müller trotzdem, generell „für unsere Kinder“.

Die haben ihre McDonald's-Tüten inzwischen zerknüllt und wippen im Takt des „Bildungsklau-Raps“, vorgetragen von Lehrern aus Bergedorf. Am Ende des Liedes bekommen die Unterrichtenden viel Applaus – denn „eigentlich gehen wir für unsere Lehrer auf die Straße“, erklärt ein Schüler.