: Bei der Aufklärung haben sie Erfolg
■ Innenminister Kanther legt die offizielle Kriminalitätsstatistik vor. Raub und Körperverletzungen nehmen zu. Die Täter werden jünger
Bonn (taz) – In Deutschland sind 1997 weniger Autos gestohlen worden als 1996, und es wurde seltener in Wohnungen eingebrochen. Dafür gab es mehr Fälle von Straßenraub sowie gefährlicher und schwerer Körperverletzung. Mehr als die Hälfte aller kriminellen Delikte wurden im letzten Jahr aufgeklärt – so erfolgreich war die Polizei seit 1969 nicht mehr. Insgesamt sind etwas weniger Straftaten verübt worden. Die Kriminalitätsquote sank um 0,9 Prozent.
Kinder aber geraten immer häufiger in Verdacht: Die Zahl der unter 14jährigen, die als mögliche Täter eines Delikts ermittelt wurden, ist um 10,1 Prozent gestiegen. Die meisten Kinder und Jugendlichen kamen wegen Ladendiebstahls mit dem Gesetz in Konflikt. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 1997 hervor, die gestern vom Bundesinnenministerium veröffentlicht wurde.
Die Daten lassen sich sehr unterschiedlich interpretieren. Aus Sicht von Innenminister Manfred Kanther beweist die hohe Zahl von Ladendiebstählen, daß es „völlig abwegig“ sei, dieses Delikt nicht konsequent mit den Mitteln des Strafrechts verfolgen zu wollen: „Das ist die Einstiegskriminalität überhaupt.“ Kinder und Jugendliche, die dabei erwischt werden, müßten eine schnelle Reaktion des Staates spüren.
Dagegen bezeichnete es Otto Schily (SPD), im Schröder-Team zuständig für Innenpolitik, als „erbärmlichste Antwort“ der Gesellschaft auf das Problem, wenn die Strafmündigkeit herabgesetzt und „Kindergefängnisse“ gebaut würden. Er verwies auf „aggressive Werbung“ der Konsumgüterindustrie und darauf, daß in Deutschland mehr als eine Million Kinder in Haushalten leben, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Schily sagte: „Da kann man sich eigentlich nicht wundern.“
Zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen kommen Politiker der Union und der SPD auch im Blick auf die Beteiligung von Ausländern an Straftaten. Manfred Kanther nannte die Entwicklung in diesem Zusammenhang „besorgniserregend“. 60 Prozent der Tatverdächtigen im Bereich der organisierten Kriminalität, zu der Drogenschmuggel, Waffenhandel und Delikte im Rotlichtmilieu zählen, seien Ausländer. Der Innenminister betonte, dabei handele es sich in der großen Mehrheit nicht um langjährig in Deutschland ansässige Arbeitnehmer. Eine „beherrschende Rolle“ spielten vielmehr Asylbewerber und Illegale. Kanther nahm das zum Anlaß, um gestern abermals eine erleichterte Ausweisung und Abschiebung zu fordern sowie Maßnahmen, „um den unerwünschten Zuzug von Ausländern so niedrig wie möglich zu halten“.
Frank Hofmann (SPD) meinte dagegen, es sei notwendig, die Strukturen der organisierten Kriminalität aufzudecken „und bis zu den Bossen zu kommen“. Das werde durch eine Konzentration auf den hohen Ausländeranteil nicht erreicht. Ohnehin ist nach Ansicht der SPD „die isolierte Betrachtung von kriminalstatistischen Daten“ wenig sinnvoll. Sie fordert die Verknüpfung mit anderen Statistiken, um Entwicklungen unter verschiedenen Aspekten beobachten zu können, und einen regelmäßigen „Sicherheitsbericht von unabhängigen Sachverständigen“ zur qualitativen Beurteilung der Daten. Bettina Gaus
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