Neun Leben gelebt

■ Die Schauspielerin, Sex-Talkerin und Entertainerin Lotti Huber starb 85jährig in Berlin

Berlin (taz) – Das zehnte Leben war ihr nicht vergönnt. Im Alter von 85 Jahren ist die Nackttänzerin, Sex-Talkerin und Schauspielerin Lotti Huber am Sonntag in Berlin an Herzversagen gestorben. Auf dem Weg von der höheren Tochter aus jüdischem Elternhaus bis zur Charlottenburger Kiez-Diva mußte sie sich neunmal neu erfinden. Als Ausdruckstänzerin zog sie nach Berlin, wo sie in wilder Ehe mit einem nichtjüdischen Mann lebte. Doch von einer Schulkameradin denunziert, wurde sie verhaftet und wegen „Rassenschande“ in das Konzentrationslager Lichtenburg deportiert. Ihren Freund erschossen die Nazis in der Untersuchungshaft. Ein Jahr verbrachte die als Lotti Goldmann Geborene im KZ und entkam dann, von einer jüdischen Hilfsorganisation freigekauft, nach Palästina.

Dort tanzte sie in Nachtklubs für britische Offiziere, sie gelangte nach Kairo, besaß eine Bar in Zypern, später ein Restaurant in London. Mit dem zweiten Ehemann, Colonel Norman Huber, kehrte sie zurück nach Berlin. Um nach seinem Tod Anfang der 70er Jahre ihre Sechszimmerwohnung zu halten, tingelte La Lotti als Schnapsvertreterin durch Markthallen und erteilte Tanzunterricht. Damals muß auch Rosa von Praunheim sie entdeckt haben. Zwischen 1980 und 1990 spielte sie in fast allen seinen Filmen, ob als Liebeskupplerin in „Horror Vacui“ oder in „Affengeil“ ihre eigene „lasterhafte“ Biographie. Der Filmemacher verglich sie mit Marlene Dietrich und Edith Piaf.

In den 90ern wurden ihre Kabarettauftritte rarer. Dafür sah man Huber als freundlich lispelndes Sex-Orakel in Talkshows. Manchmal fuhr sie auch mit ihrem dreisitzigen Motorrad zum Pressetermin oder machte Reklame für das Tempodrom-Zelt. Aus der Fülle der Erinnerungen konnte sie zwei Bücher schöpfen, ein drittes soll nächsten Monat erscheinen: „Drei Schritte vor und kein Zurück“.