: Westerwelle legt Helmut Kohl ab
Für den FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle hat die „Nach-Kohl-Ära“ begonnen. Im Interview plädiert er für CDU-Fraktionschef Schäuble als Nachfolger ■ Aus Bonn Markus Franz
Eine bessere Werbung für sein Buch „Neuland“, das in der nächsten Woche in Bonn vorgestellt wird, hätte FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle nicht haben können.
Kaum wurden seine Äußerungen über die Agenturen verbreitet, rückten in Bonn alle anderen Themen in den Hintergrund. Westerwelle hatte gegenüber dem Stern erklärt, daß nach der Wahl „der Stab der Kanzlerschaft in absehbarer Zeit weitergegeben werden muß. Für mich hat die Nach-Kohl- Ära bereits begonnen.“ CDU- Fraktionschef Wolfgang Schäuble sei für ihn „die Nummer eins im Wartestand“.
CDU-Generalsekretär Peter Hintze riet Westerwelle, „seine ganze Kraft auf die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zu richten“. Hintze fügte hinzu: „Kollege Westerwelle ist nicht befürchtungsreif.“ Damit machte er deutlich, daß er keine neue Diskussion um die Kanzlerkandidatur Kohls erwartet. CSU-Generalsekretär Bernd Protzner forderte Westerwelle auf, er solle besser nachdenken, bevor er sich zu Wort meldet. FDP-Parteichef Wolfgang Gerhardt, bemühte sich, die Brisanz aus dem Interview zu nehmen. Zu dessen Äußerung, Kohl solle nach der Wahl den Stab „in absehbarer Zeit“ an Fraktionschef Schäuble weitergeben, sagte er: Der Bundeskanzler habe gesagt, er wolle die ganze Legislaturperiode als Kanzler bestreiten. Das habe die FDP mitgetragen und daran müsse sie sich halten.
Die Avancen Westervelles an die SPD kommentierte Gerhardt mit den Worten: Westerwelle sei nun mal Generalsekretär, und als solcher habe er das Recht, weit in die Zukunft zu denken. Aber gerade die Interviewpassagen über das Verhältnis zur SPD will Westerwelle anders verstanden wissen, als sie aufgenommen worden sind. Sein Sprecher Hans-Rolf Goebel sagte, Westerwelle habe auf Bundesebene nicht die geringste Annäherung an die SPD betreiben wollen. „Auf Bundesebene wird es auf absehbare Zeit keine Koalition mit der SPD geben.“ Westerwelle sei es darum gegangen, die Tür für Koalitionen auf der Landesebene zu öffnen. Beim Interview sei ein Fehler passiert. Der Stern hatte Westerwelle mit den Worten zitiert: „Wenn die Bundes-SPD den Weg von Tony Blair gehen würde, dann könnten wir darüber diskutieren.“ Westerwelle habe aber nur die Formulierung freigeben: „Wenn die Bundes-SPD den Weg von Tony Blair gegangen wäre, hätte man darüber diskutieren können.“
Besondere Bedeutung messen Beobachter Westerwelles Aussage ein, daß seine Partei „keinen Bammel“ davor habe, in die Opposition zu gehen. Im Januar hatte der Spiegel einen „Anonymus“ aus der FDP-Führungsspitze zitiert, der es als Problem bezeichnete, wenn die Regierung Kohl/Kinkel „wider Erwarten“ wiedergewählt würde. Der ungenannte Politiker baue auf eine liberale Wiederauferstehung in der Oppostion.
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