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Der Fluß an der Schlafzimmerwand

■ Mieter will vor Gericht erzwingen, daß seine Wohnung vom Schimmelpilz befreit wird. Gutachten bestätigt bauliche Mängel

Regen bringt der Familie Ben-tien keinen Segen. Wenn draußen die Wassermassen niedergehen, heißt es oft „Land unter“ im Haus an der Sülldorfer Landstraße: Im vorigen Juli lief die Nässe gar an den Wänden hinab. Der Schimmelpilz „Penicillium sp.“ wuchert und verbreitet einen unerträglichen Gestank. „Die Sporen verteilen sich in der Raumluft“, sagt Harald Ben-tien. Er fürchtet um die Gesundheit seiner Familie, „schließlich müssen wir das täglich einatmen.“

Miete zahlt der Vater von zwei Töchtern längst nicht mehr. Seit Jahren streitet er mit der Hauseigentümerin, der Genossenschaft „Bauverein der Elbgemeinden eG“, um die Instandsetzung (taz hamburg berichtete). „Die wollen das Haus systematisch verfallen lassen“, schimpft Bentien.

Der zuständige Sachbearbeiter sieht das anders. Man habe das Dach reparieren lassen und andere Arbeiten in Auftrag gegeben, „aber Herr Bentien hat die Handwerker wieder vom Hof geschickt“. „Die wollten nichts reparieren“, kontert der Mieter. „Sie sollten lediglich einen Teil des Hauses absperren.“ Die Arbeiten am Dach seien „Flickwerk“, das mit Instandsetzung nichts zu tun habe.

Die Genossenschaft hat mittlerweile zwei Ersatzwohnungen angeboten. Doch der Familienvater schlug beide Offerten aus. „Die sollten das Vierfache an Miete kosten.“ Außerdem will er den Umzug auf keinen Fall selbst bezahlen. Statt dessen fordert er die Erstattung sämtlicher Kosten.

Bentien beruft sich auf ein Gutachten, in dem allein bauliche Mängel für Schimmelpilzbefall verantwortlich gemacht werden. „Durch falsches Heiz- bzw. Lüftungsverhalten sind solche Erscheinungen nicht zu erzeugen“, heißt es in dem Papier, das vom Amtsgericht Blankenese in Auftrag gegeben wurde.

Jetzt hat die Genossenschaft einen Bauzeitenplan aufgestellt, in dem sie Tischler-, Maurer- und Putzarbeiten ankündigt. Aber das ist Bentien nicht genug. Möbel und Inventar müßten entseucht werden, um eine erneute Ausbreitung der Schimmelpilzsporen zu verhindern. „Was nicht von den Sporen gereinigt werden kann, soll ersetzt werden“, fordert er. Die Kosten dafür würden sich auf knapp 200.000 Mark belaufen.

„Es hat auffallend lange gedauert, bis sich beim Bauverein etwas in Bewegung setzte“, sagt auch Bentiens Anwältin Heide Flügge. Weil der Verein immer noch nicht bereit ist, den Schaden zu ersetzen, hat sie jetzt Klage eingereicht. Die Genossenschaft wollte zu dem noch anhängigen Verfahren keine genaue Stellungnahme abgeben.

Also wird das Gericht entscheiden, wer für die Schäden aufkommen muß. Doch bis dahin fließt noch viel Wasser die Wände herunter. Stefan Tomik

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