Sechs gegen die GAL

Der Koalitionskrach um den Volksentscheid spitzt sich weiter zu: Sechs SPDler stellen GAL-feindlichen Antrag. Grüne bestürzt  ■ Von Silke Mertins

Ausgerechnet der rechte SPD-Bausenator „Beton“-Eugen Wagner stellte sich schützend vor die GAL: „Keine Gefährdung der Koalition“ hieß sein Schlachtruf. Zusammen mit Bürgermeister Ortwin Runde und Parteichef Jörg Kuhbier versuchte Wagner die SPD-Fraktion davon abzubringen, gegen die Position der GAL einen Fraktionsantrag zum Volksentscheid in die Bürgerschaft einzubringen. Mit Erfolg.

Doch damit ist der Koalitionskrach nicht vom Tisch. Gestern entschlossen sich sechs SPD-Abgeordnete, darunter drei Ex-SenatorInnen und der komplette Ex-Fraktionsvorstand, einen eigenen Antrag in die Bürgerschaft am 1. und 2. Juli einzubringen. Inhaltlich ist er mit dem ursprünglich geplanten SPD-Antrag identisch: Anders als die Initiative „Mehr Demokratie“ sollen die Hürden für die Volksgesetzgebung zwar gesenkt werden. Für die entscheidende Abstimmung, den Volksentscheid, bleibt jedoch eine Mindestbeteiligung erhalten. Die GAL ist hingegen auf Linie der Bürgerbewegung.

„Waren Sie nicht erschrocken“, so der SPD-Verfassungsexperte Jan Ehlers, „als sich in Flottbek 600 Bürger gegen die Flüchtlingsunterkunft stark machten?“ Wenn es egal sei, wieviele sich am Volksentscheid beteiligten, wie die Initiative „Mehr Demokratie“ verlange, seien „schutzlose Minderheiten“ die Leidtragenden. Wenn ein paar hundert Stimmen reichten, um die Verwaltung lahmzulegen, würde die Stadt unregierbar.

Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) zeigte sich von dem Antrag seines Intimus Ehlers und den Co-Autoren „überrascht“, teilt aber die Bedenken der SPDler. Eine Abschaffung der Mindestbeteiligung könne sich „zur Diktatur einer Minderheit gegen Benachteiligte in dieser Stadt auswirken“ und „Investitionsvorhaben“ blockieren, so Runde zur taz. Einen SPD-Fraktionsantrag habe er aber abgelehnt. „Ich bin in keinster Weise daran interessiert, Sollbruchstellen der Koalition auszutesten.“

Die GAL sieht sich jedoch mit einer Provokation konfrontiert. „Noch“ liege kein Koalitonsbruch vor, so GAL-Parteichefin Antje Radcke. Doch wenn eine Mehrheit gegen die GAL zustande käme, „ist das der Anfang vom Ende der Koalition“. Hat der Sechser-Antrag Erfolg, sei damit „ein Präzidenzfall“ geschaffen, der auch in der GAL Schule machen könne. Die SPD habe ihr Dilemma im übrigen selbst verschuldet, denn sie habe sich während der Koalitionsverhandlungen geweigert, das Thema Volksgesetzgebung anzufassen.

Auch die grüne Frakionschefin Antje Möller warnt die SPD davor, die GAL vorzuführen. Wenn die SPD-Frakion nicht deutlich mache, „daß sie dem Antrag ablehnen wird“, steuerten die Genossen „auf einen Koalitionsbruch zu“. Sie warte nun „auf Erklärungen der SPD“, sehe aber keinen inhaltlichen Gesprächsbedarf. „Die Diskussion ist gelaufen.“

SPD-Fraktionschef Holger Christier findet hingegen, „daß sich die GAL bewegen muß“. Eine so wichtige Frage, wie die Gestaltung der Demokratie, unterscheide sich nunmal von sonstigen Anträgen. Fraktionsvize Walter Zuckerers „persönliche Meinung“ ist deshalb auch, „daß die Fraktionsdisziplin aufgehoben und die Abstimmung freigegeben werden sollte“.