: Ein paar offene Worte für die Freunde
Gerhard Schröder übt seine Rolle auf dem internationalen Parkett. Bei seinem Besuch in Warschau sichert der SPD-Kanzlerkandidat den Polen Kontinuität zu und spricht zugleich die Differenzen deutlich an ■ Aus Bonn Markus Franz
Ungewöhnlich aufgedreht kommt der außenpolitische Koordinator der SPD, Günter Verheugen, aus dem Besprechungsraum im Sejm, dem polnischen Parlament. „Das war hochinteressant“, „so was habe ich lange nicht erlebt.“ Vertreter des Wahlbündnisses Solidarität hatten gerade erkennen lassen, daß sie die SPD positiver beurteilen als je zuvor. Was Verheugen begeistert, läßt den SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder eher kühl. Als er das Treffen mit der Solidarität Revue passieren läßt, zieht er einen Flunsch.
Auch als Außenpolitiker bleibt Gerhard Schröder in erster Linie Gerhard Schröder. Und eins kann dieser Gerhard Schröder überhaupt nicht leiden: wenn ihm Mißtrauen und Abneigung entgegenschlagen. Ein Mitglied der katholischen Nationalisten hatte ihn bei dem Treffen mit dem Wahlbündnis Solidarität gleich beim Empfang so kalt angeguckt. Beim Thema Reparationszahlungen für polnische Zwangsarbeiter waren die Positionen verhärtet. Da sagte Schröder schließlich lapidar: „Dann haben wir eben unterschiedliche Meinungen“, und als sein Gegenüber daraufhin erstaunt guckte: „So ist das Leben.“
Statt drum herum zu reden, sich lieb Kind zu machen, will Schröder Tacheles reden. Das hat er sich nicht extra vorgenommenen. Das ist seine Art. Aber er weiß auch, diese Art zur Tugend zu erklären. „Unter Freunden gehört es sich“, betont er des öfteren an diesem Tag, „daß man sich die Wahrheit sagt.“ Die polnische Seite, davon ist er überzeugt, „hat das verstanden“.
Verstanden haben seine Gesprächspartner zunächst einmal, daß sich an den deutsch-polnischen Beziehungen auch unter einem Bundeskanzler Schröder nichts ändern werde. Schröder vergleicht die Bedeutung der deutsch- polnischen Beziehungen mit dem hohen Rang der deutsch-französischen Beziehungen und versichert: „Es wird unter einer SPD-geführten Regierung keinen Kurswechsel in der deutschen Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik geben.“ Denn Schröder hat verstanden, welch hohes Ansehen Bundeskanzler Helmut Kohl in Polen genießt. Nicht zuletzt dem deutschen Kanzler wird zugute gehalten, daß er sich für den Beitritt Polens zur Nato und zur EU stark gemacht hat. Und so lobt Schröder den Kanzler für seine Polen-Politik, wo er geht und steht. „Warum soll man das nicht auch in Wahlkampfzeiten machen können“, sagt er kokett und erntet damit Zustimmung und Vertrauen in einem. Vertrauen schaffen, das ist es, worauf es Schröder und seinen Beratern bei ihrem Besuch ankommt. In Polen, aber über diesen Umweg natürlich auch in Deutschland. Schließlich gilt die Außenpolitik bei dem in dieser Hinsicht eher unerfahrenen Schröder bei seinen Gegnern als Achillesferse. Viele sahen es nur als einen weiteren Beweis für Schröders außenpolitische Defizite, daß er Ende April mit dem weißrussischen Diktator Alexander Lukaschenko in Deutschland zu Mittag speiste.
Und so erhofft sich Verheugen von dem Polen-Besuch vor allem, daß Schröder als berechenbarer und verläßlicher Partner erscheint. Für Verheugen gehört dazu auch, daß Schröder die als gestört geltende Beziehung zwischen der SPD und der Solidarität offen anspricht. Viele Polen werfen der SPD vor, in den 80er Jahren den Dialog mit der antikommunistischen Opposition in Polen vernachlässigt zu haben. Schröder, so berichtet Verheugen, habe diese Anregung sofort aufgenommen. Aber der Kanzlerkandidat der SPD übertreibt es nicht mit der Selbstkasteiung. Einen Absatz aus dem Manuskript zu diesem Thema läßt er weg. Bloß nicht zu sehr zu Kreuze kriechen. Das liegt Schröder nicht. Gesundes Selbstbewußtsein, sagt er, sei die Basis für ein vertrauensvolles Verhältnis.
Vertrauen schaffen bedeutet für Schröder auch, Probleme offen anzuprechen. Und so betont er zwar einerseits, daß es für den polnischen EU-Beitritt keine Vorbedingungen geben soll, wie es die Vertriebenenverbände in Deutschland fordern. Andererseits macht er deutlich, daß nach dem EU-Beitritt nicht sofort das Prinzip der Freizügigkeit für die polnischen Arbeitnehmer gelten könne. Vor Vertretern der deutschen Minderheit in Polen klingt das so: „Es gibt in Deutschland Leute, die in Zeiten, wo es schwer wird, zu kurz kommen. Daß, was sie sich erarbeiten haben, wollen sie nicht verlieren. Davor haben sie aber Angst, wenn Leute nach Deutschland kommen und bereit sind, zu Löhnen zu arbeiten, die deutlich unter dem deutschen Lohnniveau liegen.“ Akademischer sagt er es bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung: Es werde in Deutschland Legititmationsprobleme für den EU-Beitritt Polens geben, wenn die Frage der Freizügigkeit nicht durch Übergangsfristen geklärt werde.
Verheugen ist überzeugt davon, daß Schröders direkte Art bei seinen Gesprächspartnern gut ankomme. „Schröder macht das besser als andere.“ Bei den polnischen Zuhörern der Ebert-Stiftung kommt Schröder unterschiedlich an. Einige finden ihn zu pragmatisch und wirtschaftsorientiert. Andere erinnerten sich an einen Vortrag des CDU-Fraktionschefs Wolfgang Schäuble in Polen zur Europapolitik. Der sei so allgemein und schwammig gewesen. Schröder, heißt es, „sagt wenigstens, was er meint“.
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