: Horno in der Hand der Richter
■ Landesverfassungsgericht von Brandenburg entscheidet darüber, ob die Stolpe-Regierung das sorbische Dorf den Braunkohlebaggern überlassen darf. Die Regierung wagt Verfassungsbruch
Berlin (taz) – Das Landesverfassungsgericht Brandenburg verhandelte gestern abermals darüber, ob Horno, die Sorbengemeinde in der Lausitz, den Braunkohlebaggern bis zum Jahr 2002 weichen muß. Es wurden Vertreter des sorbischen Dachverbands Domowina und des Sorbenrates beim Landtag gehört. Die Sorben kritisierten, daß bei einer Umsiedlung ihres Dorfes ihre ethnische Identität und die dörflichen Strukturen zerbrechen würden. Die Landesregierung erinnerte daran, daß eine Fortführung des Tagebaus wirtschaftlich notwendig sei. Ob das 652 Jahre alte Dorf abgebaggert wird, war bei Redaktionsschluß noch nicht entschieden.
Verhandelt wird seit drei Monaten. Die PDS-Fraktion des Landtages hatte die Normenkontrollklage eingereicht. Geprüft wird, ob Artikel 25 der Landesverfassung, der Schutz des angestammten Siedlungsgebietes der Sorben, verletzt wird. Das Gericht muß feststellen, ob Minderheitenschutz ein Grundrecht oder ein Staatsziel ist. Die brandenburgische Regierung kann kein Grundrecht der Sorben auf ihr Dorf erkennen. Entscheidet das Verfassungsschutzgericht für Horno, wird der Tagebau Jänschwalde geschlossen. Dann verlieren 4.000 Menschen ihre Arbeit.
Horno (sorbisch: Rogow) ist das wehrhafte Dorf des Ostens. 1977 hatte die SED verfügt, daß in dem Ort kein Haus mehr neugebaut werden dürfe. Offenen Widerstand sah man damals nicht; die Bewohner äußerten ihren Unwillen auf Dorfversammlungen. Zur Wendezeit formierten sie sich zu einer Bürgerinitiative, die 1990 mit zwei großen Kundgebungen auf sich aufmerksam machte. Manfred Stolpe (SPD) und Matthias Platzeck (damals Bündnis 90) protestierten mit. Beide sprachen von Heimat und Zukunft und erklärten ihren Abscheu vor einer Politik, die als Zwangsvollstreckerin der Wirtschaft fungiert.
Sechs Jahre später sahen beide Politiker zur Kohle keine Alternative. Stolpes Braunkohleplan stellte Horno dem Unternehmen Laubag voll zur Verfügung. Seit 1994 kämpft das Dorf gegen die Umsiedlungspläne der Laubag. Egal, wie das Landesverfassungsgericht entscheidet, die Dörfler werden nicht aufgeben. Zum Passus, der den Minderheitenschutz garantiert, vermerkt das Protokoll des Verfassungsausschusses vom 12. April 1991 eigens, „daß es hier um die Verhinderung weiterer Verluste durch den Braunkohleabbau gehe“. Dieser Satz könne im „Sinne eines Rechtes auf Erhalt jedes Dorfes“ ausgelegt werden, ahnte damals das brandenburgische Wirtschaftsministerium. Die Hornoer sind bereit, ihr Anliegen dem Europäischen Gerichtshof vorzutragen. Annette Rogalla
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